Also ich bin ja nicht so der Bötchenfahr-Fan. Normalerweise finde ich das nach kürzester Zeit stinklangweilig. Dazu lässt die offizielle Fahrzeit von 7 Stunden von Battambang nach Siem Reap bereits beim Gedanken daran meine Beine unter H2O-Ansammlungen anschwellen und wenn ich die landesüblichen Verzögerungen von 1-2 Stunden aufrechne, gesellen sich in meinem Kopf noch wilde Thromboseszenarien dazu. Hilft aber alles nix, denn in der Backpacker-Bibel ist diese Bootsfahrt als eine der landschaftlich schönsten und abwechslungsreichsten angepriesen. Also, Augen zu und durch. Jünger werde ich auch nicht.
Los geht’s in Battambang um 7 Uhr am Bootssteg. Ich hatte mit der zwar netten, aber wenig auskunftsfreudigen Ticketverkäuferin ausgemacht, dass mich der Flußkapitän am Tonle Sap See in einem Guesthouse im schwimmenden Dorf Chong Kneas absetzt, weil ich noch einen Tag vertrödeln wollte, bis zu meiner erneuten Hotelbuchung in Siem Reap. Selbstredend habe ich geflissentlich darauf geachtet, dass dies auf meinem Ticket in Landessprache vermerkt ist und die Dame die Info an den Chef weiter gibt.
Natürlich sind die meisten Mitreisenden Touristen. Mehr oder wenig mürrisch, die jungen auch untereinander nicht gesprächig. Kann mir nur recht sein, weil so ein ständiges Gelaber auch ganz schon nerven kann. Was mich allerdings etwas verwundert ist, dass einige der jungen Backpacker diese mehr als 3 mal so teure und fast 3 mal so lange Reisevariante ausgewählt haben, um dann zu schlafen, zu lesen und möglichst den Sonnenschutz bis zum Anschlag zu schließen? Hä? Wahrscheinlich das gleiche Phänomen wie bei den „Schau-ich-war-hier“-Fotos… „Schau-ich-hab’s-gemacht“.
Die restlichen Plätze werden wie üblich mit Locals… und allerhand Waren aufgefüllt. Auf den ersten Kilometern nach Battambang bin ich ziemlich schockiert, in welchem Dreck (und in meinen Augen Elend) die Menschen hier leben.
Das sind keine touristisch aufbereiteten Dörfer, das ist das wirkliche Leben… allerdings mit unserem ganzen Zivilisationsmüll.
Wirklich erschreckend und ich bin froh, dass sich das Landschaftsbild im weiteren Verlauf ständig zum Positiven verändert und wechselt.
Wir Alten saugen im Gegensatz zu den jungen Reisenden alles in uns auf und fotografieren wie wild, was vermutlich die Jungen wiederum total affig und uncool finden. Wobei da bei mir auch Grenzen überschritten werden, wenn die Franzosen die Flußanwohner mit der einen Hand bei der Morgentoilette filmen und mit der anderen grüßend winken. Muss das sein? Würden wir das wollen?
Besondere Schadenfreude kann ich mir nicht verkneifen bei dem älteren, französischen Pärchen, welches sich auf dieser Reise VIP-Plätze ganz vorne im Boot ausbedungen hatte. Ach wie köstlich ist es, mit ansehen zu können, dass die Beiden schlussendlich die absolut schlechteste Sicht haben. Das Bild dazu ist selbsterklärend:
Die Bootsfahrt bleibt weiterhin spannend, der Sangker wird immer kurviger und enger. In der derzeitigen Trockenzeit gibt die Tiefe auch nicht viel her. Der Motor röhrt und stöhnt, die Hupe hupt, bis wir an passierbarer Stelle die nächste Kurve genommen haben. Der Bootsjunge muss uns immer wieder mit der Stange aus dem Uferdickicht befreien. Eine besondere Show-Einlage liefert er, als bei voller Fahrt sein Portemonnaie über Bord geht und er in kompletter Kleidung hinterher, um seine Habseligkeiten zu retten.
Es ist faszinierend zu sehen, wie die Kinder uns begeistert zuwinken… ganz egal, ob sie sich jetzt über uns freuen oder über die Bugwelle, die unser Boot erzeugt. Die jungen Kambodschaner, die in ihren schnittigen Booten in ihren ebenso schnittigen Hemden cool an uns vorbeizischen. Die Frauen beim Kochen, Wäschewaschen und Fische zubereiten. Die Alten in der Hängematte oder im ‚Garten‘ und die Männer beim Fischen…
Es ist Zeit für einen Zwischenstopp zum Tanken in einer größeren Ansiedlung. Eine Toilette gibt es, glaube ich jedenfalls, während des ganzen Tages nicht. Aber man schwitzt eh alles raus.
Die Damen im schwimmenden ‚Restaurant‘ sind auf unseren Besuch vorbereitet und haben gekocht. Da man auf den langen Reisen – ob mit Boot oder Bus – nie vorher weiß, ob und wann ein Imbiss oder eine Toilette angesteuert wird, hatte ich mir vorsorglich am Abend zuvor ein Take-Away gekauft. Böse Überraschung!! Der vermeintlich leckere vegetarische Salat war voll gespickt mit Fisch einschließlich Gräten! Ich könnte wetten, es handelt sich dabei um diesen kleinen stinkenden Tonle Sap Fisch. Davon bekomme ich keinen Bissen runter. Lieber reise ich mit knurrendem Magen anstatt mit einer Fischvergiftung.
Wieder ändert sich die Flußlandschaft, der Sangker wird breiter und schafft Platz für diese besonderen Bambus-Fischfangvorrichtungen:
Lustig, dass sich auf den Seilen die Schwalben sammeln wie bei uns auf den Stromleitungen. Nun stehen die Häuser und Wohnbuden auch nicht mehr an Land, sondern bewegen sich schwimmend mit dem Wasserpegel.
Und alles Leben findet auf und im Wasser statt: Schule, Handel, selbst die Disco.
Im Vorbeifahren schauen wir den Leuten praktisch in die Töpfe und in ihr Wohnzimmer. Immer wieder legen wir an oder – nach umserem Hupsignal – steuern von allen Seiten Boote auf uns zu… nehmen Fahrgäste oder Ware in Empfang. Es ist einfach herrlich, das live zu erleben!
Besonders rege geht es in Prek Toal zu, einem größeren Dorf mit Wat und einem Biosphärenreservat der UNESCO. Dem Ort selbst sieht man das nicht an, nur die vielen Vogelschwärme in der Luft, Milchstörche, Kormorane und Graupelikane bezeugen, dass die Vögel hier eine ökologisch einwandfreie Heimat gefunden haben. Insgeheim bin ich schon mal froh, dass ich noch nicht ausgeladen werde. Als Tourist wäre ich der Exot. Hier wird auch dieser widerwärtig stinkende Fisch verarbeitet, den ich schon in Battambang erriechen durfte. Kinder und Frauen sitzen auf Schwimminseln und hacken das übel stinkende Etwas klein.
Bald darauf erreichen wir den Tonle Sap See. Das andere Ufer des mehrere Tausend Quadratkilometer großen Sees ist nicht zu erahnen. Das Ende der Bootsfahrt ebenso wenig. Jetzt kommt dieser saulangweilige Teil, von dem ich zu Anfang geschrieben habe. In Anbetracht der schon langen Fahrzeit fallen nun auch mir hin und wieder die Augen zu.
Rund um den See ist alles flach, entsprechend wenig imposant ist auch das schwimmende Dorf, welches wir passieren. Wie sollte ich vermuten, dass dies das viel besuchte und gelobte Chong Kneas ist (in dem ich eigentlich aussteigen sollte und wollte)?
Was dann folgt, ist der reinste optische Horror!! Durch einen schlammigen, unansehnlichen Kanal werden die Touristen zuhauf zum schwimmenden Dorf gekarrt! Atmosphäre gleich Null. Wir stranden an einer ebenso unansehnlichen Bootsanlegestelle … irgendwie bin ich gerade völlig entsetzt und auch verärgert, weil der Super-Captain vergessen hat, mich abzusetzen!! Aber Diskussionen sind angesichts nicht vorhandener Englisch-Kenntnisse jenseits und ebenso wenig vorhandener Khmer-Kenntnisse diesseits völlig zwecklos.
Wie immer umschwirren uns die Tuk-Tuk-Fahrer wie abends die Fischchen die Füße der juchzenden Touristen in den diversen Fish-Spas in den Straßen von Siem Reap, in denen ich nunmehr einen Tag zu früh strande.



















