POLONNARUWA AUF ABWEGEN

Ach,  welch ein aufregender Tag! Eigentlich wollen wir nur von A nach P – also von Anuradhapura nach Polonnaruwa fahren. Unser gestriger Tuk-Tuk-Fahrer holt uns um 9.30 Uhr am Hotel ab und fährt uns zur New Bus Station. Bus Nr. 75 ist der unsrige und da dieser sich gerade zur Abfahrt bereit macht,  fährt ihm unser Tuk-Tuk ganz einfach vor die Nase. Klar, kommen wir auch noch mit. Backpacks vorne, uns auf der Rückbank verstaut und los geht’s.

Diese Buslinie quer durch die Insel hat zum Glück nicht so viele Haltestellen wie die Busse an der Küste. So kommen wir zügig voran und auf freier Strecke heizt unser Fahrer seiner Rostschüssel ordentlich ein. Auf der Hinterbank hat man in jeder Kurve das Gefühl der Fliehkraft zu erliegen. Aber alle Einheimischen bleiben entspannt. Wir also auch… zumindest Nicole,  die hat auf der Fahrt immer ihren Schutzheiligen Ganesha umhängen. Für mich heißt es: Augen zu und durch!!

Zumindest wirkt die  indische-singhalesische Schnulzenberieselung aus den Lautsprechern beruhigend. Aber auch nur solange keine Werbeeinblendung läuft: also nicht im Radio, sondern live, wenn die Händler während der Fahrt die Wirkung ihrer Mittelchen, in unserem Falle Fleckenentferner, anpreisen. Nicht unbedingt hygienisch, aber auch interessant: die meist in Fett ausgebackenen Snacks werden im Bus in selbst gebastelten Tütchen… haltet euch fest… aus Schulheftpapier verpackt! Wenn man der Schrift mächtig ist, hätte man also gleich eine Lektüre während der Fahrt.

Die wohl hässlichste Busstation aller Zeiten durchfahren wir in Kekirawa. Da hat ein deutscher Schrottplatz mehr Atmosphäre. So etwas schmuddeliges und abstoßendes habe ich noch nicht gesehen. Diese Abwrackteile tragen hier den Namen Bus und fahren noch! Wir sind ja zum Glück nicht ausgestiegen. Hier mal eine VIP-Variante einer Busstation:

Notiz am Rande: Meinen Augen taugt der ständige Fahrtwind in Tuk-Tuks und Bussen leider gar nicht. Ich bin dazu übergegangen, mich zu vermummen wie die Mädels aus der Koranschule.

Dank rasanter Fahrweise spukt uns der Bus bereits nach 2,5 Stunden in Polonnaruwa aus, anstatt nach 3 Stunden und das für gerade mal 1 €! Günstiger als bei uns die Geisterbahn aufm Rummel 😃

Am Busstop werden wir gleich von einem dunkelhäutigen Glatzenträger angesprochen, der uns irgendwie an einen bekannten (sympathischen) schwarzen Schauspieler erinnert. Vijay ist sein Name und er überhäuft uns gleich mit Tipps und Sonderangeboten.  Wir wollen aber zuerst die Lage checken… Entfernungen, Preise, bestes Timing etc. und lassen uns von ihm zu unserer Unterkunft, dem Seraya Holiday Resort (ach,  die Namen klingen immer so schön fürstlich 😂) bringen. Er tut auf jeden Fall sehr geheimnisvoll und wir sollen sein Angebot auf keinen Fall im Guesthouse erwähnen.

Der Empfang ist sehr freundlich, das Zimmer mit künstlichen Dekoblumen „geschmacksneutral“. Wir ziehen erste Erkundigungen ein und bestellen – todesmutig wie sich wenig später herausstellen wird – zwei Räder für die Tempeltour. Es heißt, die Anlage in Polonnaruwa sei kleiner und die Entfernungen geringer als in Anuradhapura.

Nach der großen Mittagshitze wollen wir unsere reservierten Drahtesel besteigen, aber irgendwie waren die wohl nicht verkehrstauglich, weshalb uns ein Laster zwei „neue“ Räder bringt. Die waren in ihrem früheren Leben vermutlich einmal MTBs 😂 Schon beim Aufsteigen freue ich mich darauf, hoffentlich recht bald wieder absteigen zu dürfen. Die Fahrt an der Main Road ist eine Tortur. Rechts streifen hupende LKWs, Busse, Tuk-Tuks in Haaresbreite an uns vorbei, links verteidigen streunende Hunde, Bullen und Kühe ihr Revier.

Schon nach nur drei km ist unsere Fahrradfahr-Motivation mehr als weich geklopft. Und – welch ein Zufall – genau da läuft uns der eifrige Afro-Singhalese Vijay übern Weg. Sein neues Angebot ist besser… aber auch verruchter! Er bringt uns zu den Highlights der Tempelanlage Polonnaruwa und zeigt uns noch die Country-Side. Alles ohne offizielles Ticket und rund 1000 Rupien günstiger. Wir rechnen und überlegen. Der Gedanke, die nächsten drei Stunden auf diesen unsäglichen Rosteseln zu buckeln, tut sein Übriges. Wir schlagen ein mit Vijay etwas Verbotenes zu tun. Hoffentlich haben wir den Passus, dafür ins Gefängnis zu kommen, nicht beide in unserem Reiseführer überlesen.

Vijay verstaut unsere Räder und chauffiert uns in den kommenden vier Stunden kreuz und quer. Schnell haben wir die Orientierung verloren,  aber das Sightseeing-Programm ist famos. Mal geht es am mächtigen Stausee (Wela) und an grünen Reisfeldern vorbei, dann huschen wir durch einen Hintereingang zu einem der Tempel.

 

Wir genießen Ausblicke auf die romantischen Wasserkanäle und Vija zeigt uns in den Baumwipfeln Indische Riesenflughunde, die wir beim Fliegen mit einer Spannweite von bis zu 1,10 cm beobachten können.

Es folgen wieder Schotterwege und alte Gesteine ehemaliger Könige und Königinnen,  Klosteranlagen und Buddha-Tempel mit Mondsteinen (und Touristengruppen). Vijas kennt sich wirklich gut aus und nervt auch nicht mit Dauerberieselung.

Kingfisher, Papageien und allerhand andere bunte Vögel zeigt er uns und wir haben den Eindruck, mit ihm mehr Fauna zu entdecken, als bei der Safari in Wilpattu.
Zum Schluss wird es dann noch einmal spannend. Der letzte Kontrollposten ist wohl kein Spezl von Vija. Wir fahren außen rum und schleichen uns über einen Trampelpfad durchs Dickicht, um die Hauptattraktion, die Buddhas von Gal Vihara, noch rechtzeitig vor 18 Uhr zu sehen. Geheuer ist uns das nicht. Vija schickt uns alleine voraus und prompt werden wir von einem Kontrolleur aufgeschnappt. Ohne Ticket keine Besichtigung! Das wäre zu verkraften, doch der strenge Blick des Kontrolleurs in Uniform verursacht uns weiche Knie. Etwas verlegen stottern wir umeinander… bis… ja bis Vija aus dem Dickicht tritt und mit dem Kontrolleur „alles klar“ macht. Wir erwischen noch eine tolle Abendstimmung mit nur wenigen Touristen am Gal Vihara.

Sehr glücklich, aber auch total erschöpft fahren wir in der einbrechenden Dunkelheit ins Hotel zurück.

Was unsere Reisepartnerschaft angeht, so haben Nicole und ich uns wunderbar eingespielt. Nachdem sich Nicole vor Geld ein bisschen ekelt, habe ich den Job des „Money Keeper“ übernommen und Nicole den des „Key Keepers“. Nicole ist inzwischen zum „Chief Master of the Air Condition and all Electric Devices“ avanciert und hat sich zudem den Titel „Commissioner of Hygiene and Desinfection“ ersprayt.
Wenn wir bei den meisten als Mutter und Tochter durchgehen, muss ich mich fragen, ob ich nun so alt aussehe oder Nicole so jung. Ich glaube, Variante 2 ist richtig. Gefällt mir auch besser 😉

Hoppers with egg or with butter and jam

 

Ein Gedanke zu “POLONNARUWA AUF ABWEGEN

  1. Margit Sarholz schreibt:
    Avatar von Margit Sarholz

    Das ist ja ein wunderbarer Reisebericht! Wenn Werner mir vorliest, dann mache ich die Augen zu, genieße Deine schöne Erzählweise und sehe die Landschaft, die Busse, die lauten Straßen und die Tempel vor mir.
    Da kann man gut zu Hause bleiben und schreiben und in Gedanken mit Dir reisen. Das ist noch dazu noch preisgünstiger als Eure Reise. ;0)
    Danke und herzliche Grüße aus Ottenhofen nach Sri Lanka
    Margit

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