ZEITREISE ÜBERS ALTIPLANO

Jetzt bin ich ja richtig erschrocken, dass der junge Mann am Schalter perfektes Englisch spricht. Dass ich das noch erlebe! Mit dem Touri-Bus von Inka Express fahre ich mit touristischen Zwischenstops in ca. 10 Stunden nach Cusco. Dort bleibe ich mehr oder weniger bis zum Schluss meiner Reise stationiert.

Die ersten zwei Wochen waren durch die ständigen Ortswechsel recht anstrengend. Aber ich möchte keines dieser Erlebnisse missen.

Da sitze ich also im bequemen Gefährt und wundere mich einmal mehr, warum Leute mit einem teuren Touri-Bus durchs Land reisen,  um dann alle Vorhänge zuzuziehen und die ganze Fahrt zu verschlafen. Oder zu verratschen, wie die 72-jährige Portugiesin vor mir mit ihrer Nachbarin übern Gang weg. Ich genieße lieber die (verbleibende) Ruhe und die Aussicht auf die wechselnden, weiten Landschaften des Altiplanos. Störend für alle im Bus ist sicher mein penetranter Dauer-Husten und das ewige Schnäuzen meinerseits.

Unser erster Stop ist Pucará, ein verschlafenes Dorf mit einer Ausgrabungsstätte der Pucará-Kultur vor den Inkas. Wir besichtigen ein kleines Museum. Die verbleibende Zeit nutze ich, um über den hiesigen sonntäglichen Markt zu schlendern. Der Hammer!!! Ich fühle mich zurückversetzt in eine andere Zeit. Alle tragen die traditionelle Kleidung mit einer Art hohen Melone. Keine Ahnung, wie das Ding auf dem Kopf bleibt bei der Arbeit, beim Kinder und Lasten tragen?! Fotografieren ist auch hier nicht erwünscht. Ich hoffe, ein paar heimliche Fotos mit der Fernbedienung schießen zu können, doch leider funktioniert die Bluetooth-Verbindung nicht. Schade… ich kann all die sensationellen Eindrücke der Händlerinnen, Verkäufer und Handwerker gar nicht im Kopf behalten. Alles wird hier angeboten, manche haben ein großes Repertoire, andere sitzen nur vor einer bescheiden kleinen Auslage. Darunter mischen sich Schuhmacher, Näherinnen und fahrbare Mini-Kioske mit Essen. Sicher der ursprünglichste Markt meiner Reise.
Aus Pucará  kommt die Tradition, erdfarbene Stier-Keramiken auf dem Dachfirst oder über dem Eingangstor aufzustellen – zum Schutz des Hauses vor allem Bösen und als Glücksbringer. Immer im Doppelpack! Irgendwie schauen s‘ ja alle a bisserl deppert. Aber wenn’s hilft!
Für Touristen gibt es die mit dem gleichen stieren Blick auch noch in bunt:
Ich kann mich gar nicht sattsehen bei dieser stundenlangen Fahrt durch die peruanische Sierra. Viel Getreide wird hier angebaut, Lamas und Alpakas gehütet und die Zugstrecke Puno-Cusco verläuft steckerlgerade übers Plateau.
Nächster Stop ist der Abra La Raya, ein Gebirgspass auf 4338 m Höhe. Zwecks der Aussicht auf die schneebedeckten Berge (Nevados) und auf die Touristenstände.
Mit süffigem Coca-Tee lässt sich die Akklimatisation wohlschmeckend unterstützen. Und gegen die Kälte hilft mein schon lange lieb gewonnener Alpaka-Pulli. Apropos! Schnell noch Adiós sagen zu den Alpakas des Altiplanos, denn die grasen bevorzugt in luftiger, windiger Höhe. Und für uns geht es jetzt wieder bergab.
Vorm Busfenster schaut die Landschaft dann auch gleich ganz anders aus. Unser nächstes Ziel ist Raqchi, das mit Überresten eines alten Inka-Tempels mit der größten bekannten Dachkonstruktion und großen Rundbauten aufwarten kann.
Und zu guter Letzt, sozusagen als Sahnehäubchen dieses Tages, besichtigen wir die Iglesia de San Pedro von Andahuaylillas.
Von außen eher unscheinbar, aber von innen macht das Gotteshaus in diesem kleinen, abgelegenen Andendörfchen ganz schön was her. Barocker Goldschmuck, Holzschnitzereien, Wandmalereien und Gemälde, wohin das Auge reicht, ein riesiger silberner Altar sowie die zwei ältesten noch funktionierende Orgeln Südamerikas gebaut Anfang des 17. Jahrhundert verleihen der Dorfkirche San Pedro den Beinamen „Sixtinische Kapelle der Anden“.
Als wir in Cusco einfahren ist es schon dunkel. Zum Glück habe ich es bis zu meiner Unterkunft nicht weit und maps.me bringt mich wie immer zielsicher vor die Pforte. Allerdings hat das Dragonfly Hostel überraschenderweise keine Buchung von mir für die Nacht vorliegen. Zum Glück ist das zum Saisonstart noch kein Problem. Es sind noch Betten frei. Das heißersehnte
Zimmer ist leider enger und voll gestopfter, als die Online-Fotos auf booking.com erahnen lassen. Und laut dazu …
Da stehen wohl wieder keine erholsamen Nächte an?! Insbesondere am übernächsten Tag muss ich taktisch klug vorgehen, denn ich werde schon um 3.30 Uhr für die Salkantay-Trekking-Tour abgeholt. Da die meisten jungen Traveller Langschläfer sind, wird es schwierig, nächtens in Enge, Dunkelheit und Kälte seine sieben Sachen zu packen. Wie kann man aber auch schon um 10 Uhr ins Bett gehen und dann über 10 Stunden schlafen kann?!
Veröffentlicht in: PERU

Ein Gedanke zu “ZEITREISE ÜBERS ALTIPLANO

  1. Reinhard schreibt:
    Avatar von Reinhard

    Hallo Andrea,
    tolle Bilder u. spannende Berichte 🙂
    3.30Uhr aufstehn ist was für mich, bei mir ist es auch grad so früh ,bin am Frühstücken dann geh ich in den Wengert bevor es heiß wird ,ab Mittag gehts dann zum baden 😉

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