Nachdem ich mich spontan dazu entschlossen hatte, einen weiteren Tag im wunderschönen Ollantaytambo zu verbringen, beschied man mir im Hostel Mama Simona, dass ich für die dritte Nacht in ein anderes Zimmer umziehen müsse. Also packe ich am Morgen vorm Frühstück all meine Habseligkeiten im Rucksack zusammen, um dann an der Rezeption zu erfahren, dass ich selbstverständlich im gleichen Zimmer bleiben kann. Upps …
Nach dem Frühstück finde ich mich bei meinem Pferdeführer Juan Carlos für den Reitausflug zum einsamen Inti Punku (Sonnentor) von Ollantaytambo ein. Von Ollantaytambo auf 2800 m geht es hinauf auf 4200 m zum Sonnentor. Die kleinen, durchtrainierten Pferde legen in drei Stunden also einen Aufstieg von 1400 hm hin. Mein Pferdl heißt Wayra, mein Guide Juan Carlos. Er ist gebürtig in Ollantaytambo und mit Leib und Seele Tourguide. Sein Englisch ist ausgesprochen gut und er spricht sogar einige Worte Deutsch.

Nur gut, dass uns der Opa noch eine Weile durch den Ort begleitet und mein Pferdl am Zügel führt. Das beruhigt mich ungemein, während es ungewohnt schwankend auf vier Beinen durch die engen Kopfsteinpflastergassen und über die ersten Steintreppen hinunter zum Urubamba-Fluß geht. So kann ich mich wenigstens ein bisschen auf dem Pferderücken eingewöhnen, bevor ich eigenverantwortlich die Zügel übernehme.
Auf der anderen Flußseite geht es beständig bergauf und die Aussichten auf Ollantaytambo, das Urubamba-Tal und den wolkenverhangenen Mount Veronica sind grandios.


Mein Pferdl Wayra ist an das Reiten mit Touristen gewohnt, geht aber immer verschiedene Touren und so wartet sie stets auf meine Richtungsbefehle. Das ist so ein bisschen, wie das Führen der Männer beim Tanzen. Windet sich der Pfad steil nach links und ich hab’s verpennt, dann bleibt Wayra stur geradeaus. Ich bin doch froh, hier und da in bescheidenem Maße „Reiterfahrung“ gesammelt zu haben. So reagiere ich ausreichend schnell, wenn Wayra über Stock und Stein hinaufschnaubt und sich (und mich) mit ordentlich viel Schwung über hohe Stufen hinaufpusht. Spannend wird es, wenn ich zum Fotografieren nur einhändig und einäugig auf Wayra konzentriert bin.



Während einer kurzen Pause, legt mir Juan Carlos erneut das Dauer-Kauen von Coca ans Herz, damit mich die Höhenkrankheit nicht erwischt. Naja, dank Wayra bekommt mir der Aufstieg so ganz ohne eigene Kraftanstrengung bisher eigentlich sehr gut. Aus Sympathie knabbere ich halt auch ein bisschen auf den trockenen Coca-Blättern rum, aber wirklich erbaulich ist das nicht.



Etwa in der Hälfte des Weges passieren wir die Canteras de Cachiqata. In diesen Steinbrüchen wurden die monumentalen Steine für die Inka-Festungsanlage von Ollantaytambo geschlagen und auf die andere Talseite geschleppt. Einige Findlinge liegen noch rum.



Über ein Schotterfeld geht es weiter hinauf und schon kann man das Inti Punku in der Ferne erahnen. Wir überholen einen Trupp Amerikaner, die es vorgezogen haben, von ihren Tragetieren abzusteigen und zu Fuß zu gehen. Echt witzig, dass die Cowboys Schiss haben, auf Pferden zu reiten!

Dann, nach einem wunderbaren 3-Stunden-Ritt, sind wir am Ziel …

Während die Amerikaner noch den Berg hinaufschnauben:


Der Ort ist mystisch und wunderschön. Mir geht das Herz auf. Die Inkas hatten wirklich ein Gespür für besondere Orte.
Die Aussicht nach rechts ins Urubamba-Tal …

Die Aussicht nach links mit dem schneebedeckten und wolkenverhangenen Mt. Veronica …

Und das atemberaubende Komplett-Panorama:

Die Kulisse schreit förmlich nach einem Hasi-Foto für Mama ♥

Nach vielen Fotos, einer Brotzeit – wie sich das auf dem Gipfel gehört – und einem netten Plausch mit der amerikanischen Familie und den Guides, machen wir uns für den Abstieg fertig. Es wird Zeit, denn dunkle Wolken ziehen auf. Anders als mein Guide bin ich wie immer bestens ausgestattet und Juan Carlos freut sich über das Angebot, meine Wind- und Regenjacke anzuziehen.



Uih!! Der Abstieg ist für die Pferde leichter, aber für den Reiter bei 1400 steilen Höhenmeter doch ganz schön anstrengend. Volle 3 Stunden stemme ich mich in die Steigbügel und bleibe hochkonzentriert, wenn Wayra ihre Hüpfer über die Steinstufen macht. Und warum gehen Pferde nur immer an der ausgesetzten Seite eines Pfades?!?
Die Amerikaner trauen sich für den Abstieg erst recht nicht aufs Pferd und sind zu Fuß einige Zeit länger unterwegs als wir – zum Leidwesen ihrer Guides, die notgedrungen auch zu Fuß stapfen müssen und zur Freude der Pferde, die damit einen sehr entspannten Outdoor-Tag haben.
Als wir in Ollantaytambo einreiten, ahne ich schon, dass mich nach dem Abstieg vom Pferderücken Schlimmes erwartet. Und so ist es dann auch – ich kann kaum gehen, Hüfte, Oberschenkel, Waden, Füße … alles schmerzt. Aber das Herz lacht!! Welch ein schöner, abenteuerlicher Ausflug!
Ich verabschiede mich von Wayra und Juan Carlos und schleiche im Schneckentempo zur Plaza. Auf einem der schönen Balkone suche ich mir ein Plätzchen in der Abendsonne, genieße eine Chicha morada und beobachte rundum zufrieden und glücklich das Treiben auf der Straße.





Witzig, was da so alles los ist. Ein Indio in Tracht kommt mit sechs Schuhkartons daher und dann beginnt auf der Parkbank das fröhliche Anprobieren (Foto oben Mitte). Unter meinem Balkon steht ein Emoliente-Stand mit allerlei medizinischen Mixgetränken. Es schaut aus, wie eine kleine Bar. Wie sich das Zeug genau zusammensetzt, weiß ich nicht . Die Basis ist wohl eine heiße Substanz aus Gerstensaft, Zucker und Zitronensaft und je nach Krankheitsbild oder Befinden werden sehr bunte, selbst gebraute Heilpflanzen-Extrakte dazu gemixt. Die Stände stehen insbesondere morgens und abends in Peru’s Straßen und werden von Jung und Alt sehr rege besucht. Viele trinken gleich mehrere Becher z.B. bei Magen-Darm-Beschwerden, Kreislaufproblemen oder Atemwegserkrankungen.


Nachdem ich mich satt gesehen und gegessen habe, geht es heim zur letzten Nacht in Ollantaytambo. Zwei kleine Cusquena negra Bierchen und eine heiße Dusche geben mir den Rest und ich falle um 19 Uhr müde ins Bett. Meine neuen Mitbewohner aus Brasilien und US lerne ich erst am nächsten Morgen kennen.