Ach ist das aufregend! Endlich geht es los zu meiner Regenwald-Tour in den Manu Nationalpark. 7 Tage werde ich ohne Strom und WiFi, dafür aber ausgestattet mit ausreichend No-Bite-Moskito-Spray und Gummistiefeln, mit Bus und Boot gen Osten fahren. Von Cusco geht es durch den mystischen Nebelwald hinab in den peruanischen Regenwald (Selva) und auf den Amazonas-Zuflüssen Alto Madre de Dios und Manu in die Tiefen der Reserved Zone des Naturschutzgebietes.
Unser Bus sammelt die 9 Traveller, 4 Pärchen und meine Wenigkeit, in Cusco ein. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mein miserables Namensgedächtnis nicht weiter damit strapaziert habe, mir die Namen unserer Mitreisenden einzuprägen. Unser Begleitteam für die nächsten Tage besteht aus dem englischsprechenden Guide Juan-Carlos, unserem kleinen Chef-de-Cuisine Eloy und – logischerweise – einem Busfahrer. Der Bootsführer stößt erst später in Atalaya zu uns, wenn das Verkehrsmittel mangels Schotterwegen aufs Wasser verlegt wird. Im Lager von Vilca Expeditions werden wir noch mit den geliebten oder auch gehassten, aber obligatorischen Gummistiefeln ausgestattet. Dann kann’s endlich los gehen. Adiós Cusco, hasta luego!
Mindestens 8 Stunden Fahrt liegen vor uns, bevor wir unser erstes Tagesziel erreichen. Die noch asphaltierte Straße führt uns durch wunderbare Berglandschaften von Cusco (3400 m) erst hinauf auf 4000 m , danach wieder abwärts Richtung Paucartambo. Unterwegs wird noch hier und da Proviant für die kommenden Tage im Dschungel eingekauft und gefrühstückt.

In Paucartambo (2906 m) ist Marktsonntag. Mir scheint, jetzt, zu Anfang der Saison, werden wir wenigen Touristen noch skeptisch beäugt. Das ändert sich spätestens Mitte Juli, wenn Paucartambo aus allen Nähten platzt. Dann findet nämlich in diesem kleinen, verschlafenen Städtchen das aufwändigste und farbenprächtigste Spektakel statt, das man sich vorstellen kann. Das Festival zu Ehren der Virgen del Carmen. Ebenselbige heilige Jungfrau Carmen wurde 1985 von „unserem“ Papst Johannes Paul II – der im Übrigen selbst zu den Heiligen zählt – heilig gesprochen. Das muss gefeiert werden! Mit bunten, phantasievollen Kostümen, mit viel Musik und Tanz und auch mit recht viel Alkohol, wenn man den Berichten glauben darf. Hier laufen also alle die Tanzgruppen wieder auf, die ich gestern in Cusco bestaunen konnte – und wohl noch viel mehr. Am auffälligsten und lautesten ist dabei die Gruppe der Teufelstänzer (Danza Saqra de Paucartambo). Ihre dämonischen Tiermasken mit Hörnern, Geweihen, fletschenden Zähnen und die zotteligen Haare und überlangen Fingernägeln sind wahrhaft furchteinflößend. Aber die Gesellen wollen alles andere als Angst einjagen, sondern besteigen während der heiligen Prozession in Paucartambo Dächer und Balkone, um die Virgin del Carmen zu verführen und die Besucher des Festivals schelmisch auszutricksen und zum Lachen zu bringen. Hört sich nach sehr viel Spaß an drei Tagen im Juli. Außerhalb dieser Zeit ist in Paucatambo aber der Hund begraben und wir begnügen uns mit einem Rundgang durch das kleine Heimatmuseum, wo auch Kostüme und Masken ausgestellt sind und die Geschichte der Region recht modern und interessant dargestellt wird.





Ziemlich bald nach Paucartambo endet die ausgebaute Teerstraße und der blau-weiße Wolkenhimmel weicht schweren, grauen Wolken. Über den Acjanacu-Pass (3850 m), dem Tor zum Manu Nationalpark, schunkelt unser Bus den holprigen Schotterweg entlang, umfährt Schlaglöcher, schlängelt sich Serpentinen hinab, streift haarscharf an entgegenkommenden Minibussen vorbei und … wird schließlich von einem großen Erdrutsch gestoppt, der die „Straße“ unpassierbar macht.


Die ersten Helfer haben schon Spaten und Pickel in der Hand, um die Passage einzuebnen. Es scheint gerade so, als ob das Werkzeug hier am Straßenrand deponiert ist, da es an dieser Stelle öfter zu Erdrutschen kommt. Aber eine Schaufel und zwei Pickel richten natürlich nicht übermäßig viel aus bei der Menge an Geröll. Es dauert – doch wir sind froh, dass die Peruaner die Sache völlig gelassen angehen und zupackend Hand anlegen, ohne auch nur einen Fluch auszustoßen. Unvorstellbar, welche Reaktion so eine Situation in Europa bei den Beteiligten auslösen würde.
Nach einer Weile können die ersten beiden Minibusse passieren. Uns touristischen Beifahrern ist das alles viel zu brenzlig. Wir machen uns also zu Fuß auf die andere Seite der Verschüttung und harren gespannt und aufgeregt der Dinge, die da kommen. Die ersten beiden Anfahrversuche unseres langen Gefährts schauen dramatisch aus. Ich muss mir die Augen zuhalten und mir wird ganz schlecht. Vor meinem geistigen Auge sehe ich den Bus samt Fahrer schon umkippen und in die Schlucht stürzen. Nichts für meine schwachen Nerven. Also, zurück an Schaufel und Pickel. Wo viele Männer, da natürlich auch viele Ratschläge, wie es besser zu machen ist 🙂 Aber ich bin ja dankbar für so viel körperliche Einsatzbereitschaft. Drei weitere Versuche, den Schutt zu überfahren scheitern, entweder droht der Bus zu kippen oder aufzusetzen. Dann beim sechsten Anlauf ist es geschafft!! Niemand hat auf die Uhr geschaut, aber wir haben sicher eine gute Stunde Zeit verloren. Jetzt heißt es ein bisschen auf die Tube drücken, schließlich müssen wir noch durch den ganzen Nebelwald und wollen vor Einbruch der Dunkelheit in unserer Lodge in Pilcopata (530 m) ankommen.
Der Nebelwald ist feucht und – wie der Name schon sagt – neblig. Hier trifft das verdunstete Wasser des Amazonas-Regenwaldes auf die Ostseite der Anden und regnet sich ab. Gerade das macht den Reiz dieser mystischen Umgebung mit der besonderen Vegetation aus. Vielfarbige Flechten und wilde Bromelien klammern sich an knarzige Bäume, Lianen und die langen, beutelartigen Nester der Webervögel hängen träge herab, die Nebelschwaden gleiten beruhigend dahin und geben immer wieder neue Aussichten auf diesen verwunschenen Zauberwald frei.




Dann plötzlich spottet Juan-Carlos „im Vorbeifahren“ die ersten Wollaffen im dichten Blattwerk. Also, alles raus aus dem Bus und zum ersten Mal das Fernglas im Einsatz. Alle haben die wirklich großen, schwarzen und flauschig-felligen Woolly Monkeys schon entdeckt, nur ich blindes Huhn stiere ins Leere bzw. ins Grüne. Aber da, ja, jetzt hab ich sie auch im Visier!! Meine Begleiter haben schon die Handys und Kameras gezückt, aber in Anbetracht der doch eher mäßigen Erfolgsaussichten, einen dieser rasanten Kletterkünstler scharf vor die Linse zu bekommen, werde ich mich die nächsten Tage wohl eher aufs Schauen und Beobachten konzentrieren, denn aufs Fokussieren. Ich bin ja schon froh, wenn ich mit dem Fernglas „hinterherkomme“ 🙂
Nach 10 Stunden Fahrt erreichen wir die Ollanta Lodge in Pilcopata, die erste, noch relativ luxuriöse Bleibe auf unserer Dschungel-Tour. Mein Zimmer ist riesig, beschränkt gemütlich und hat ein eigenes Bad. Dafür ist die Gastgeberin eher langweiliger und desinteressierter Natur. Auf der Veranda werden wir zum ersten Mal von unserem Koch Eloy versorgt – und auch von den ersten Moskitos.
Am nächsten Morgen starten wir nach dem Frühstück zu Fuß zu einem Spaziergang. Ja, hier sehen wir dann die nächste Stufe der Abgeschiedenheit. Für uns ist es kaum vorstellbar, in so einer Trostlosigkeit zu leben! Pilcopata ist ein undefinierbares, hässliches Etwas zwischen Zivilisation und Naturbelassenheit.

Auf der anderen Seite des Flusses führt uns ein Forstweg schon bald wieder in die leuchtend grüne, undurchdringliche Natur des Regenwaldes. Riesige Blätter in allen Formen strecken sich uns entgegen, Helikonen setzen bunte Farbtupfer ins Grün, genau wie die großen Schmetterlinge. Aber auch den kleinen Krabbelviechern schenken wir Beachtung und bewundern ihr Aussehen und ihre Leistung.




Schließlich erreichen wir eine kleine Auffangstation, in der mutterlose Tierbabys aufgepeppelt werden, bevor man sie wieder in den Dschungel entlässt. Die kleinen Tierchen laufen hier relativ frei herum und wir haben die Gelegenheit, einen kleinen Wollaffen, ein Faultier-Baby, einen Nasenbären (Coati), ein Wasserschwein (Capybara), ein Nachtäffchen und ein sehr freches Braunes Kapuzineräffchen aus nächster Nähe zu sehen. Auch ein Tapir ist hier zu Gast, allerdings schon seit so vielen Jahren, dass er einem eher leid tut so allein in seinem Gehege. Hier entdecke ich auch zum ersten Mal eine 24-Stunden-Ameise (Bullet Ant), von der ich später erfahre, dass dies eine der größten Ameisenarten der Welt ist und ihr Giftstich als der schmerzhafteste Insektenstich überhaupt gilt, der über 24 Stunden anhält – daher der Name.

Vor dem Sanctuary sammelt uns unser Busfahrer wieder auf und wir holpern Atalaya entgegen, wo wir nach einer kurzen Pause auf ein Langboot umsteigen, um den Rio Alto Madre de Dios stromabwärts zu fahren. Unseren eher älteren Busfahrer tauschen wir aus gegen den jungen, stets fröhlich strahlenden Amazonas-Kapitän Cesar und seinen ebenso frisch-frechen „Jung-Matrosen“. Die heutige Wasser-Reise von Atalaya bis zu unserem Tagesziel Boca Manu wird 6 Stunden dauern.


Bereits nach einer halben Stunde Fahrzeit legen wir an Land an. Oben am umwaldeten Hügel steht die Paititi Lodge von Vilca Expeditions und unsere drei mitreisenden Pärchen „ohne Namen“ verlassen uns hier. Sie haben nur die 3- oder 4-Tages-Variante gebucht und bleiben in der Cultural Zone des Manu Nationalparks, wo es zerstreute Ansiedlungen gibt und der Anbau von z.B. Bananen und Coca erlaubt ist.


Für Aaron, Hannah (Denver/USA) und mich geht es weiter den Alto Madre de Dios hinab. Schnell zeigt es sich, wie unerlässlich das Wissen und die lange Erfahrung der heimischen Bootsführer ist. Das Kies- und Gesteinsbett des Alto Madre de Dios verändert sich ständig, mitgeschwemmtes Treibgut in allen Größen tut sein Übriges, und unserer Bootsführer muss stehts konzentriert steuern, um die richtigen Passagen mit ausreichend Wasser unterm Boot zu erwischen. Aufregend, wie das Gestein unterm Kiel durchrauscht.





Die ersten Stunden der Fahrt sind ganz schön feucht und frisch. Das hat man davon, wenn man nur mit drei Touristen an Bord ist und in der ersten Reihe sitzen will. Fahrtwind, Gischt und Regen peitschen uns ins Gesicht. Aber je weiter wir von den Berghängen der Anden wegkommen, um so luftiger wird die Wolkendecke und schließlich lässt sich sogar die Sonne blicken. Wir lassen grün wuchernden Flussufer, großzügige Kiesbänke, feinsandige Strände und Schwemmholz-Kunstwerke links und rechts an uns vorbeigleiten. Immer wieder sehen wir verschiedenste Reiherarten, Störche, Schwalben, Schuhschnabler und allerhand andere Wasservögel von üblichen Enten bis hin zu besonderen Arten wie dieser hier:



Verwöhnt von den heimischen Fernsehreportagen hatte ich mir ehrlich gesagt vorgestellt, dass es am und im Regenwald-Fluss nur so brodelt und spritzt vor Wassertieren, dass Reptilien auf den Sandbänken sonnen und die Luft erfüllt ist von Vogelgeschrei und/oder -gesang und surrenden Insekten. Doch rundum ist es abgesehen vom Plätschern des Wassers und dem weithin hörbaren lautstarken Geschrei der über uns hinwegfliegenden Aras doch recht still.

Gegen halb fünf erreichen wir die letzte wirkliche Ansiedlung Boca Manu, wo wir die Nacht verbringen, bevor wir morgen in die Reserved Zone des Naturreservates starten. Das 100-Seelen-Dorf versprüht einen eigenen Charme à la Fitzgeraldo. Vom mit Sandsäcken befestigten Anlegeplatz, wo sich die Kinder vom ruhigeren Arm des Rio Manu Flusses in den hochwasserführenden und deshalb stark strömenden Rio Madre de Dios treiben lassen (oje, oje, mein Mutterherz!) geht es direkt hinauf zum dorfeigenen Fußballplatz, umrahmt von der Shopping Mall und dem Verwaltungsgebäude.



Das kurze Abendprogramm steht fest: Duschen, Essen und ab unters Moskito-Netz.


Am nächstenTag sitzen wir um 7.30 Uhr schon wieder mit Sack und Pack im Boot. Heute geht es den schlammig braunen Rio Manu hoch. Der Rio Manu mündet bei Boca Manu in den Alto Madre de Dios und zusammen fließen sie als Rio Madre de Dios in den Rio Madeira, welcher dann wiederum nach Norden verläuft und östlich von Manaus in Brasilien in den Amazons fließt.
Obwohl der Rio Manu optisch weniger ansehnlich ist, ist er doch gehaltvoller an Mineralien und Nährstoffen, als das klare Wasser des Alto Madre de Dios. Er bringt aus den Anden sehr viel erodiertes Geröll und Gestein mit und damit auch die fruchtbaren, feingemahlenen Schlammpartikel. Warum so ein brauner Fluss nun in der Fachsprache Weißwasserfluss heißt, kann ich auch nicht so recht verstehen.



Gleich an der Einmündung passieren wir eine Lehmlecke in der Uferböschung. Hier versammeln sich zumeist Papageien, aber auch andere Vögel und Affen, um den natriumhaltigen Lehm zu essen. Dabei sind die Vögel überaus vorsichtig, denn auch die Geier und Falken wissen, dass diese Lecken großen Zulauf haben und damit ihr eigener Tisch reich gedeckt ist. Am frühen Morgen sehen wir eine riesige Schar von Blaukopf-Papageien. In den umliegenden Bäumen sind sie abgesehen von ihrem blauen Köpfchen fast nicht auszumachen, aber wehe, wenn sie aufgescheucht werden.


Nachdem wir uns in Limonal offiziell zum Besuch der Reserved Zone angemeldet haben, geht es weiter auf Entdeckungstour. Alle im Boot spotten mit und auch Koch und Kapitän freuen sich wie kleine Kinder, wenn sie etwas ausgemacht haben. Eine Herde Totenkopf-Äffchen streift direkt am Ufer von Strauch zu Strauch, dort oben sitzen Rote Brüllaffen im Geäst und beäugen uns, ein Ara-Pärchen macht Pause im oberen Stock – ihre Farbenpracht ist phänomenal: mal in rot-blau, dann in gelb-türkis oder die bunte Scarlet-Version.


Mit der Sonne kommen auch Schildkröten aus ihrem nassen Versteck und sonnen sich auf Baumstämmen. Herrlich, wenn dabei bunte, meist gelb-orangene, Schmetterlinge um ihre hochgestreckten Nasen flattern und versuchen, etwas von dem mineralhaltigen Flusswasser zu ergattern.

Nach weiteren 5 Stunden Bootsfahrt legen wir an einer Sandbank an. Wir sind angekommen bei unserem Zuhause für die nächsten 3 Tage. Die großen Spuren im Sand machen uns deutlich, dass wir – auch wenn wir die Tiere nicht sehen – doch mitten im Urwald sind. Ein großer Kaiman hat sich hier vor nicht allzu langer Zeit vom Ufer ins Wasser bewegt.

Oh, oh, soll ich hier wirklich aussteigen?!

Durch ein grünes Tor geht es in das Camp Paujil von Vilca Expeditions. Das Sonnenlicht, das durch die hohen Baumwipfel fällt, zaubert eine wunderbare Atmosphäre und ich fühle mich gleich erinnert an Pfaffendell. Natürlich bekomme ich auch hier wieder eine Einzel-Hütte, obwohl ich mir in Anbetracht der Leichtbauweise und des krabbelnden Viehzeugs überall fast jemanden herbei gewünscht hätte.


Eine Horde Spider-Monkeys (Klammeraffen) schwingt sich durch die Baumwipfel über unserem Camp.

Und dann ruft Juan-Carlos auch schon wieder zum Abmarsch auf unseren ersten Dschungel-Trek zum Otoronga Oxbow Lake. Direkt vom Camp geht’s in den Busch, mal den Blick am Boden, um den fleißigen Blattschneiderameisen bei der Arbeit zuzuschauen, dann wieder in den Himmel gerichtet, um vorbeiziehende Affen und andere Baumbewohner aufzuspüren. Aber auch die wilde Pflanzenwelt ist immer wieder faszinierend: Riesige Ceiba-Bäume mit wehrhaften Spitzen, an denen sich grazil Efeupflanzen hochranken. Wandernde Bäume, armdicke Lianen, Grün in allen Schattierungen und Formen …

Termitenhoch- und -tiefbau



Den Rest des Nachmittags verbringen wir am Otoronga Lake, genießen die Ruhe, beobachten mit Fernglas die Vogelwelt, versuchen Kaimane und Riesenotter zu erspähen und werden schlussendlich selber beim Beobachten beobachtet.




Wolken und die Dämmerung zaubern immer wieder andere Traumlandschaften und man kann sich einfach nicht satt sehen und fotografieren. Auf dem Weg zurück ins Camp ist es schon dunkel und wir können gleich die Nachtsafari anschließen, bevor der Tag bei einem Candlelight-Dinner ausklingt.



Natürlich erzählt Juan-Carlos beim Abendessen dann auch noch die ein oder andere Gruselgeschichte, z.B. die, als in einem anderen Camp nachts jemand Alarm schlägt, weil eine Riesen-Python die Anlage durchquert. Ihr könnt euch vorstellen, wie mir zumute ist, als ich ausgerechnet hier in diesem abgelegenen Teil der Erde nachts dringendst zum Pieseln muss. Lange habe ich mich hin und her gewälzt, der Weg zur Toilette mit Stirnlampe ist weit und dunkel, vorbei an Vogelspinnen-Nestern und 24-Stunden-Ameisen, die wir am Tag beobachtet hatten. Oder vielleicht lauert ja doch der Jaguar oder die Python im Gebüsch. Schlussendlich setze ich mich mit angehaltenem Atem direkt neben meine Hütte.
Nach dem Frühstück geht es heute wieder aufs Boot. Mit der ganzen Crew fahren wir zu einem weiteren See, dem Salvador Oxbow Lake und passieren traumhafte Flusslandschaften.




Am Cocha Salvador angekommen, besteigen wir einen kleinen Handbetrieb-Katamaran. Juan-Carlos erzählt uns freudig, dass wir alle Zeit der Welt haben. Er hat schon in Limonal gesehen, dass derzeit keine anderen Gruppen unterwegs sind. In der Hochsaison schaut das ganz anders aus. Dann muss er den Katamaran für eine bestimmte Uhrzeit reservieren und hat nur sehr begrenzte Zeit, um den See nach den hier heimischen Riesenottern abzusuchen.


Gemächlich paddeln uns unsere Jungs über den wunderbar ruhigen Salvador See und dann ist es unser Koch, der vom Ufer aus die Riesenotter-Familie entdeckt. Laut quiekend durchstreifen sie den See beim Fischfang. Wir paddeln vorsichtig näher ran, doch ein Abstand von 20 m müssen die Guides einhalten, sonst könnte ihrer Touragentur die Lizenz für die Reserved Zone entzogen werden. Kein Problem ist es aber, wenn die Riesenotter wie in unserem Fall neugierig auf uns zuschwimmen. Ach, ist das aufregend! So quirlig, flink und aufgeregt pflügen sie durch das Wasser, aber gegessen wir im Schutz von Zweigen und Ästen in Ufernähe. Andernfalls würde ihnen ihre Beute von Piranhas und anderen Raubfischen streitig gemacht werden. Wir haben lange Zeit, sie zu beobachten, bevor sie sich nach der Mahlzeit in einen anderen Teil des Sees verziehen. Rundum zufrieden, paddeln wir zum Steg zurück und bekommen dabei auch noch den seltsamen Hoatzin (Schopfhuhn oder Zigeunerhuhn) im Uferdickicht zu sehen.




Inzwischen hat es regenwaldtypisch angefangen heftigst zu regnen. Immer wieder freue ich mich über meine sicher und trocken verpackten Füße in den Gummistiefeln. Zusammen mit Regenhose und Regenjacke kann mir das warme Nass von oben und unten nichts anhaben. So eingemümmelt erreichen wir die Matsiguenka Lodge. Diese Lodge wurde von der indigenen Bevölkerungsgruppe der Matsiguenka erbaut und wird von ihnen auch eigenständig geführt. Sie ist um einiges größer als unser kleines Camp im Urwald. Aber auch hier ist in der Vorsaison noch nichts los. So machen wir nur eine kleine Pause für unser Mittagessen aus der Tupperdose, bevor wir den Marsch zurück zum Boot und die „Heimfahrt“ antreten.





Juan-Carlos ist wirklich unermüdlich, hat immens viel Ahnung, erkennt schon am Laut, um welche Tierart es sich handelt und in welche Richtung sie unterwegs ist. Emsig schleppt er sein riesiges Fernrohr mit und spottet Vögel und Affen. Zum ersten Mal auf dieser Tour haben wir nach unserer Ankunft im Camp noch knappe 1,5 Stunden Zeit, bevor das Abendessen serviert wird und wir uns auf eine zweite Nachtwanderung durch den Dschungel begeben.

Unfassbar wie viele gut getarnte Tierchen Juan-Carlos hier entdeckt. Ohne ihn, wären wir sichtlich aufgeschmissen und würden den Urwald für ausgestorben erklären. Allerlei nachtaktive Krabbler, Kriecher und Springer sind unterwegs, von denen ich nur einige wenige im Bild festhalte.
Ich bin ein Frosch!

Besonders spektakulär sind natürlich diese handtellergroße Skorpionspinne und die noch junge Vogelspinne:

Von den Kakerlaken im Camp bin ich hingegen nicht so begeistert. Schon beim Duschen fällt mir eine auf den Kopf und nun sitzt in meinem Häuschen ein 10 cm Riesenexemplar auf dem Nachttisch. Da kann ihr Panzer noch so schön schimmern – draußen ist draußen und drinnen ist meins!! Todesmutig befördere ich sie vor die Tür und zurre nach einem weiteren Krabbelviehzeugsfund das Moskitonetz doch noch einmal enger.
Am nächsten Morgen morgen heißt es leider schon wieder Abschied nehmen. Bei strahlendem Sonnenschein geht es zurück nach Boca Manu.


Nachdem wir in Boca Manu wieder unsere Zimmer bezogen und geduscht haben, treffen wir uns im „City Center“ auf ein „Bierchen“. An den hier vorrätigen 1100 ml Flaschen kann selbst ein Bayer nichts zu bemängeln haben. Auf dem Fußballplatz tobt derweil ein ambitioniertes Spiel. Egal ob Einheimische, Guides, Köche, Bootsführer oder Touristen … sobald genug Leute da sein, beginnt das Match. Es ist köstlich dabei zuzusehen, wie sie über den Wiesenacker wetzen, mit Sandalen, richtigen Fußballschuhe oder auch barfuß, immer wieder umknicken oder hinfallen. Vom Dorf kommen neue Spieler stolz mit ihren eigenen Fußballschuhen, die sie in der Hand halten wie einen Schatz. Wenn die Zahl stimmt, werden die Mannschaften aufgestockt. Nur die kleinen Burschen schauen betrübt. Gerne würden sie auch mitmischen, aber sie sind den anderen wohl noch zu jung. Wir haben unsere helle Freude und feuern unser Team an. Es ist schon dunkel, als unser Koch vom Fußballplatz durch die Dusche an den Herd hetzt. Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass in Peru jede Ansiedlung ab zwei Personen einen eigenen Fußballplatz unterhält?!



Das Essen ist trotz Zeitdruck wunderbar, geschmacklich kommt es zwar nicht an die Küche vom Salkantay-Trek ran, aber unser Koch Eloy gibt sich so herzlich viel Mühe, um es schön für uns anzurichten:


Gut, dass wir noch ein paar Flaschen Cusquena und Callao Pilsen fürs Team eingekauft haben, um unsere wunderbare Tour mit allen zu feiern. … und so gibt es bei dem anschließenden verrückten Kartenspiel wieder viel zu lachen.
Das Abschalten des Stromgenerators von Boca Manu lässt uns schließlich wissen, dass es Zeit ist, ins Bett zu gehen. Strom gibt es hier nur stundenweise morgens und abends.
Die erste Tagesetappe unserer langen Heimfahrt flußaufwärts bringt uns zur Paititi Lodge. Unterwegs besuchen wir ganz spontan das Dorf unseres Bootsführers Cesar. Etwas schockiert bin ich schon über die hiesigen Verhältnisse. Alle hängen hier rum, lausen sich gegenseitig und trinken so ein gäriges Gesöff aus zerkauter und in Spucke vergorener Yucca (Maniok). Wie es der Teufel will, werden wir just zu diesem lokalen Spezial-Getränk eingeladen. Juan-Carlos beschwichtigt uns, dass heutzutage angeblich nicht mehr in den Yucca-Brei reingespuckt würde, um den Gärprozess in Gang zu bringen, und natürlich besteht er darauf, dass wir den riesigen Becher nun wohl oder übel leeren müssen, weil das sonst ein Affront gegen die großzügige Einladung sei. Wir tun unser Bestes, aber ich muss gestehen, dass Juan-Carlos wirklich den Löwenanteil an dem Gesöff übernommen hat. Leicht irritiert verlassen wir diese Lokalität.





Gemütlich schippern wir weiter zur Paititi-Lodge und freuen uns, wenn schon nicht den Jaguar, so doch wenigstens noch eine „echte“ Capybara-Familie und ein Tayra zu entdecken.


Die kleine Lodge von Vilca Expeditions ist wunderbar gelegen und vor unserer großzügigen Unterkunft umschwirren unzählige Kolobris die Sträucher.







Der Rückreisetag nach Cusco hat es in sich. Von der Paititi-Lodge geht es um 7 Uhr los mit dem Boot zurück nach Atalaya. Dort sammelt uns wieder der Bus ein und die lange Fahrt durch den Nebelwald bis auf 4000 m Höhe beginnt. Leider können wir auch auf dem Rückweg durch den Nebelwald keinen der markanten, männlichen Nationalvögel von Peru erspähen. Der Cock of the Rock (Andenklippenvogel) hat sich mir in Peru leider nur einmal kurz „im Vorbeiflug“ gezeigt, genau wie die Tukane. Vielleicht ein Grund, noch einmal nach Südamerika zu reisen!?!


Grabtürme von Ninamarca
Nach fast 11 Stunden Fahrt mit Boot und Bus fahren wir um 17.45 Uhr in die Außenbezirke von Cusco ein. Juan-Carlos möchte Aaron und mir noch einen „letzten Wunsch“ erfüllen. Wir haben beide noch immer nicht die peruanische Hochland-Spezialität gegessen: Cuy al Horno – gebratenes Meerschweinchen! Für deutsche Haustierhalter sicher ein No-Go (bitte hier den Knopf mit dem Kreuz klicken), in Peru ein verhältnismäßig teures und geschätztes Essen, dass sich die peruanischen Familien oft nur an Feiertagen gönnen. Und was soll ich sagen, es war das beste Fleisch, das ich in den 4,5 Wochen Peru gegessen habe. Saftig, würzig, zart… aber leider auch wenig dran, wenn man die dicke, fettige Haut, Kopf, Füsse und Knochen abzieht.




Buen provecho!
Hey Andrea,
hab ich da was verpasst ,bist Du jetzt ganz ausgestiegen und auf Weltreise ??;)
Grüßle Reinhard
Ach Quatsch, Reinhard!! Hab doch schon geschrieben, dass ich nacharbeiten muss. Hatte in Peru kein Internet und keine Zeit. Und übern Sommer auch nicht. Jetzt fehlen nur noch zwei Tage. Dann ist mein Tagebuch und mein Bericht beendet.
Ach Quatsch, Reinhard!! Hab doch schon geschrieben, dass ich nacharbeiten muss. Hatte in Peru kein Internet und keine Zeit. Und übern Sommer auch nicht. Jetzt fehlen nur noch zwei Tage. Dann ist mein Tagebuch und mein Bericht beendet.
Hey Andrea – Great photos! Sorry, I don’t speak Dutch….yet 🙂
Neither do I, Aaron 🤣 I don’t speak dutch but „deutsch“. It was a very pleasant time with you and Hannah in the jungle!