MARSCHRUTKAS UND ANDERE ÖFFIS

Nach der Landeshauptstadt Bishkek ist Kochkor unser erstes Reiseziel. Unterwegs wollen wir einen Abstecher zum Burana-Minarett machen. Des „Naherlebnisses“ wegen werden wir die 185 km lange Strecke mit den günstigen lokalen Verkehrsmitteln zurücklegen: also Marschrutkas, Bus oder Sammeltaxis. Das wird eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen und so ist um 7 Uhr Aufstehen angesagt.

Nach  einem sehr spärlichen und unfreundlichen Frühstück im Central Hostel zurren wir unsere Backpacks auf den Buckel und marschieren um den Häuserblock zur Haltestelle, von wo aus uns Marschrutka Nr. 188 zum östlichen Busbahnhof mitnehmen soll. Top: Die Anfahrt der Marschrutkas erfolgt zackig im Minutentakt und an der Haltestelle sind nur wenige Leute. Allerdings … in den anfahrenden Maschrutkas schaut das an diesem Montagmorgen nicht ganz so übersichtlich aus: jedes einzelne Gefährt ist bis zum Überquellen voll! Die zwei, drei Leute die die Marschrutka vor uns ausspuckt, werden gleich durch flinke neue Fahrgäste ersetzt. Da schauen Lea und ich schon etwas verdutzt drein. Uns ist klar: in Anbetracht unseres Extra-Volumens haben wir wohl keine Chance auf eine zeitnahe Beförderung.

Wir versuchen uns im Taxi-Anwinken und haben schließlich Glück. Für 150 Som bringt uns der gute Mann samt unserer fetten Rückenladung ohne Umschweife zum Busbahnhof. Dem handgeschriebenen Zettel mit der russischen Bezeichnung unserer Destination sei Dank.

Am Busbahnhof ist der Minibus nach Tokmok schnell gefunden. Noch ein bisschen warten, bis alle Plätze belegt sind und schon geht es für bescheidene 70 ct pro Person ohne Zwischenstop in einer Dreiviertelstunde nach Tokmok, wo uns ein eifriger Taxler auch gleich mit „Burana Tower“ begrüßt. Die sprachbedingt holprigen Preisverhandlungen sind trotz Zuhilfenahme des Notizblocks nicht ganz eindeutig … meint er nun 400 SOM hin und zurück mit Wartezeit, oder doch nur für den einfachen Weg?! Trotzdem nehmen wir das Angebot an und sind 15 Minuten später am Burana-Turm.

Das Minarett von Burana hatte ursprünglich eine Höhe von 45 m, wovon nach einem Erdbeben nur noch 22 m stehen blieben. Gut für uns, denn die 22 m haben uns für den steilen Aufstieg über die nur in eine Richtung begehbare, dunkle Innentreppe als Herausforderung vollends gereicht.

Das Minarett von Burana war im 10.-14. Jahrhundert der Mittelpunkt der großen Stadt Balasagun. Heute ist nur noch wage das Zentrum mit quadratischer Umfassung zu erahnen.

Nicht hier entdeckt, sondern aus dem Tien Shan hergebracht, wurden die 1500-2000 Jahre alten, Balbals genannten, Steinfiguren. Vermutlich wurden mit ihnen verstorbene Herrscher geehrt.

Zurück in Tokmok bringt uns unser Taxler nicht zum Busbahnhof, sondern an eine Taxi- und Minibus-Haltestelle für die Weiterfahrt nach Kochkor. Die fünf Taxler um uns herum behaupten steif und fest, dass es keine Marschrutka nach Kochkor gibt, nur Taxi … dass aber für die über 2- stündige Fahrt nur schlappe 250 SOM pro Person anfallen. Mmh?! Als Backpacker klingeln da erst einmal alle Alarmglocken: die wollen uns doch übers Ohr hauen? Wir verstehen nur Bahnhof und wollen zum Bahnhof. Welch ein Aha-Erlebnis, als wir erkennen, dass der Tokmok-Busbahnhof direkt auf der anderen Straßenseite ist! Also, schnell rübergewetzt und gegenbestätigt, dass die gegenüber stehenden Taxis tatsächlich die einzige Möglichkeit sind, um nach Kochkor zu kommen.

Und spätestens nach dem Einsteigen wissen wir auch, warum der Fahrpreis so günstig ist. Wir sitzen in einem Sammeltaxi und warten geduldige 45 Minuten, bis die Kiste voll ist. Laderaum für Gepäck haben die Minivans fast keinen und wir können froh sein, dass die noch touri-unerfahrenen Kirgisen uns für unsere Backpacks keine Extragebühren berechnen. Der Ersatzreifen kommt derweil kurzerhand neben den Fahrersitz. Übrigens: hier fahren sowohl Autos mit rechtsseitiger als auch mit linksseitiger Lenkung. Die rechtsseitige  erweist sich als überaus spannend bei den Überholmanövern.

Im Gegensatz zu meinen Erfahrungen im Flieger,  nehmen die vier Kinder an Bord den über 2-stündigen Transport im nicht klimatisierten Gefährt völlig gelassen hin,   kein Quengeln, kein Geschrei, kein Rumgeturne!

Unsere erste Anlaufstelle in Kochkor ist das CBT Office. CBT steht für Community Based Tourism und sagt schon aus,  um was es geht. Das Projekt wird aus der Schweiz, Deutschland und Amerika unterstützt und bezieht die lokale Bevölkerung behutsam in den aufkeimenden Tourismus ein. Bereits im Vorfeld hatte ich zu den regionalen Büros Kontakt aufgenommen.

So können wir mit Aikerim ganz fix unsere Unterbringung im Guesthouse und die zweitägige Trekking-Tour zum Köl Ükök mit Jurten-Übernachtung klar machen.

Im nahen Supermarkt decken wir uns noch mit ausreichend Wasser ein und sind völlig perplex, als wir von der Kirgisin Aishan in bestem Deutsch angesprochen werden. Aishan ist die Deutsch-Lehrerin von Kochkor und wir hören interessiert ihren Erzählungen zu.

Mit Backpack und Wasser bepackt stapfen wir gefühlte 2-3 km zu unserem Guesthouse und werden freudig begrüßt, bevor wir unser farbenfroh geschmücktes Zimmer beziehen.

Auch die kirgisische „gute Stube“ enthält,  was ihr Name verspricht.

Hier ist man fremd und fühlt sich doch gleich daheim. Außer uns scheinen keine anderen Gäste hier zu sein.

Die treffen wir später im Restaurant Retro, wo wir nicht nur das  spannende WM-Spiel Brasilien-Mexiko verfolgen, sondern auch zwei neue kirgisische Gerichte ausprobieren: Bosso Lagman und Plov. Das Bier sorgt für die nötige Bettschwere für eine geruhsame Nacht.

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