AUF ZWEI BEINEN ZUM KÖL ÜKÖK

Wir konnten zwar am Vorabend unseren Frühstückswunsch äußern, trotzdem gibt es um 7.30 Uhr für alle Omelett. Ist doch nett!

Nachdem wir unseren Backpack im CBT-Office verstaut haben, machen wir uns gegen 8 Uhr mit leichtem Gepäck auf den Weg zum 3100 m hoch gelegenen Köl Ükök (See Ükök). An unserer Seite unsere beiden jungen Guides vom CBT: Mirdin (20) und Aizhamal (17).

Das Wetter ist eher durchwachsen, es hat in der Nacht geregnet und in den Bergen liegt neuer Schnee. Aber Lea und ich sind ja bestens ausgestattet mit 1A-Outdoor-Kleidung, wasserfesten Schuhen und allem, was man in den Bergen so braucht. Neben unseren Guides in Jeans, Turnschuhen und Schulrucksack sehen wir aus wie aus dem Globetrotter-Katalog.

Recht gemütlich zieht sich der Weg den Berg hinauf. Es bleibt Luft und Zeit, sich mit Mirdin und Aizhamal anzuwärmen und auszutauschen. Wir merken schon bald, dass die Chemie stimmt und haben viel zu lachen.

Über uns wabern die Wolken, mal höher, mal niedriger, mal heller, mal dunkler. Schöne Lichtspiele ergeben sich und wir genießen die Ausblicke ins Tal von Kochkor.

Dann reißt der Himmel auf und nach 3 1/2 Stunden Aufstieg erreichen wir unsere Jurten-Familie. Uns geht das Herz auf an diesem Wohlfühl-Ort.

Entgegen der kirgisischen Mann-Frau-Rollenverteilung sitzt der Hausherr beim Buttermachen, eine Prozedur, die leicht 2 Stunden Zeit in Anspruch nimmt. Neben Butter werden auch Ghee (Butterschmalz) und Kurut (getrocknete Joghurtbällchen) hergestellt, die wir schon auf dem Markt gesehen haben. Ich esse zuhause nie Butter, aber diese hier ist einfach nur köstlich.

Nach einer kurzen Reitprobe werden wir zu Chai, Nan und Marmelade eingeladen. Ganz typisch, wie wir auf unserer Weiterreise feststellen werden. Es gibt dazu nie Teller oder Messer, nur den kleinen Teelöffel, den alle eifrig abschlecken, um damit erneut Butter, Marmelade oder Zucker aufzunehmen. Wir schauen uns fragend um, aber alle machen es so.

Vor der Jurte streift ein süßer Babyhund auf und ab. Zu gerne würde er zu uns in die gute Stube kommen.

Nach dem Tee folgt obligatorisch das Hausgetränk der Kirgisen: Kymyz – vergorene Stutenmilch. Wir kommen um einen Erstversuch natürlich nicht rum. Ich bin überrascht,  hatte mir den Geschmack schlimmer vorgestellt. Mehr als der gärige stört mich der rauchige Geschmack des Kymyz. Es soll seeehr gesund sein, über 20 Vitamine und Spurenelemente enthalten und praktisch alle Krankheiten heilen. Ich mache mir hingehen in Anbetracht diesbezüglicher Anmerkungen Sorgen, ob der Kymyz meine eh schon rege Darmaktivität nicht noch beschleunigt

Beim Tee- und Kymyz-Ratsch lernen wir viel über die kirgisische Kultur. Jeder Mann muss schlachten können, Frauen hingegen säubern die Innereien. Die Männer kümmern sich um die schweren Arbeiten rund ums stets zahlreiche Vieh. Die Frauen übernehmen die Melkarbeit und die Weiterverarbeitung der Milch. Natürlich sind sie auch für die Hausarbeiten wie Feuermachen, Kochen und Wäschewaschen zuständig. Ich weiß nicht so recht, ob das eine gerechte Arbeitsteilung ist. Oft sieht man die Jungs schlafend in einer Ecke liegen, während die Mädels ihrer Mama bei der Hausarbeit helfen müssen. Aber trotzdem erscheint uns das Ehe- und Familienleben hier in Kirgistan sehr harmonisch und alle sind zufrieden.

Auch unser Guide Mirdin wittert gleich die Option einer Auszeit zum Schlafen, als ich andeute, dass wir Frauen den Aufstieg zum See Köl Ükök auch alleine bewältigen könnten. Als echter Kirgise findet er es nämlich mehr als befremdlich, zu Fuß irgendwohin zu gehen, wo man auch auf dem Pferd hin könnte. Es ist seit zwei Jahren seine erste Hiking-Tour. So bleibt also Mirdin schlafend in der Jurte zurück, während wir uns mit Aizhamal an den Aufstieg zum See machen.

Wir sind noch gar nicht so lange unterwegs, da kommt ein Bus querfeldein den Berg herab. Die đrei Jungs und ein Mädel wohnen in einem Zeltcamp und führen hier in der Region wissenschaftliche Untersuchungen und Messungen durch. Die jungen Leute freuen sich auf Abwechslung und schließen sich uns kurzerhand an für den Aufstieg zum Köl Ükök. Besonders Zhoodarbeshim (Jodarbeshim, alias Jonny) kann sehr gut Englisch und ist sehr gesprächig. Und in der eher stillen Leya hat Lea eine Wanderfreundin gefunden.

Das Tal ist wunderschön. Wir marschieren vorbei an frei grasenden Pferdeherden, an Schafen, Ziegen und Kühen und sogar ein paar Yaks treiben kirgisische Cowboys an uns vorbei. Immer, wenn ein Jurtenhof direkt am Weg liegt, werden wir zu Kymyz eingeladen. Puh! Zum Glück können unsere jungen Begleiter auch keinen rechten Geschmack an der vergorenen Stutenmilch finden.

Die Schafschur ist hier mangels Strom noch echte Handarbeit mit Schere. Aber obwohl die lieben Schäfchen dabei mucksmäuschenstill halten, lässt das Ergebnis frisurentechnisch meist sehr zu wünschen übrig.

Immer weiter zieht sich der Weg ins Tal hinein und ab der 2500 Metermarke wird die Luft merklich dünner. Hinter uns brauen sich derweil dunkle Gewitterwolken zusammen. Noch zwei steile Aufstiege sind zu meistern und dann liegt er da im spektakulären Gewitterwolkenlicht, der Köl Ükök auf 3100 m.

Glücklich genießen wir die Aussicht auf den See und machen Schnappschüsse in allen Variationen zum späteren Austausch.

Auch Hasi hat es geschafft.

Wir haben erneut Wetterglück. Die Wolkenfront zieht an uns vorbei ohne einen einzigen Tropfen. Und schon kreisen die Adler am Himmel und halten Ausschau nach den vielen hin- und herhuschenden Murmeltieren. Zu trollig, ganze Familien wohnen direkt am Wegesrand und sind, da geschützt, relativ angstfrei.

Beim gemeinsamen Abstieg gibt es noch viel zu lachen und zu wundern, z.B. über deutsche Wörter im Kirgisischen wie Postamt oder Edelweiss. Und ich heimse genussvoll einige Komplimente ein, ob meiner Fitness mit 55. Das könnten kirgisische Frauen nicht, was aber auch nicht wundert, da kirgisische Frauen der älteren Generation in der Regel keinen Sport ausüben dürfen. Reiten,  Ballspiele, Bogenschiessen, selbst Autofahren ist bzw. war alles Männersache.

Als wir unsere Jurte mit Aussicht gegen 17 Uhr wieder erreichen, ist auch die herzensgute und gemütliche Mama zuhause. Zum Abendessen serviert sie uns frittierten Fisch aus dem Köl Ükök: super lecker.

Es gibt immer wieder was zu tun bei einer Famile mit so viel Vieh: Wasser am Fluss holen, das spärlich vorhandene Holz einsammeln, Dung stechen und immer wieder im Ofen nachlegen, Vieh eintreiben, kleine Kälber „retten“, Stuten und Kühe melken und die Milch verarbeiten, Jurten auf- und anbauen oder reparieren …

Schon unser erster Aufenthalt in einer echten Schäfer-Jurte zeigt uns, dass wir Hygienemaßnahmen jedweder Art auf ein absolutes Minimum reduzieren müssen. Höchster Toilettenstandard ist ein Plumpsklo, manchmal mit Aussicht, manchmal mit Tür, selten mit Dach und nie mit Spülung und immer weit weit weg von den Jurten. Mögen wir auf der Reise von Durchfall verschont bleiben. Abends und morgens halten wir Katzenwäsche, kurz Wasser ins Gesicht und Zähneputzen, das muss reichen.

Die erste Nacht in der Jurte bringt wenig Schlaf. Das späte Essen liegt im Magen, unter den bleischweren Decken ist es viel zu warm und die nächtliche Geräuschkulisse reicht von Muhen über Pferdegetrappel um die Jurte bis hin zum Jaulen des kleinen Babyhundes, bevor es um 5 Uhr bereits wieder hell wird.

Da freut man sich doch auf einen warmen Chai und Grießbrei zum Frühstück, bevor es heißt Abschied nehmen.

Um 9 Uhr machen wir uns an den Abstieg nach Kochkor und sammeln noch einmal schöne Ausblicke.

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