Tief und fest haben wir geschlafen in unserer kleinen Familien-Pension in Kyzyl Tuu. Es ist bereits 8 Uhr und auf uns wartet in der Gartenlaube schon das Frühstück – und Elnura.


Wir sind noch etwas verschlafen, während Kayirbek, Dinara und mein kleiner Freund Elmurat bereits fein rausgeputzt im Ausgehgewand im Hof umeinander wuseln. Die drei fahren heute in die Stadt Bokonbaevo. Oh, das trifft sich gut. Da wollen Lea und ich ja auch hin! Aber die Familie sitzt schon fast abfahrbereit im Auto …
Ganz selbstverständlich werden wir eingeladen mitzufahren und dafür wird der Start kurzerhand etwas verschoben.
In aller Eile klauben Lea und ich unsere Wäschestücke von der Leine, stopfen unser Hab und Gut in den Rucksack und hoffen insgeheim, dass wir bei unserem Blitzstart nichts hängen, stecken oder liegen gelassen haben. Um halb 10 kann’s dann mit uns und Elmurat auf der Rückbank los gehen. Sogar für einen Schnappschuss mit seinem grünen Radl hat es noch gereicht. Und er staunt Bauklötze, als ich das Foto auf meinem kleinen Hosentaschen-Printer für ihn ausdrucke.

Bokonbaevo Stadt empfängt uns – wie kann es anders sein – mit einem bombastischen Einfahrtstor, hinter welchem sich umringt von einfachen Bauernhäuschen ein kleines, überschaubares Zentrum mit Geschäften und Marktständen befindet.

Wir verabschieden uns von unserer Gastfamilie, die uns direkt vorm CBT Office ablädt. Dort ist einiges los und so werfen Lea und ich erst mal einen Blick in die Mappe mit Trekking-Angeboten rund um Bokonbaevo. Wir stellen fest, dass das Angebot an 2-Tagestouren recht knapp ist. Für alle Touren in höhere Gefilde sind mehrere Tage mit langen Wander- oder Reittagen von 7-9 Stunden veranschlagt und übernachtet wird im Nirgendwo mit Zelt. Das ist uns für unsere Konditionslage zu heftig, schließlich wollen wir ja Urlaub machen und keine Hochleistungen vollbringen. Wir beschließen, das Angebot erst mal sacken zu lassen und derweil ein Cafe anzusteuern.
Ein Spaziergang durchs Zentrum von Bokonbaevo zeigt, dass auch das nicht so einfach ist, wie gedacht. Das einzige Cafe ist von der Atmosphäre suboptimal, bei diesem strahlend blauen Himmel wollen wir nun wirklich nicht im Dunkeln sitzen. Derweil muss Lea ganz dringende Geschäfte verrichten und steuert zielorientiert die öffentliche Toilette beim Markt an. Was soll ich sagen … Obwohl Lea nun wirklich sehr hart ihm Nehmen ist, hat dieser Abort nachhaltig traumatische Spuren bei ihr hinterlassen. Details ihrer sinnlichen Eindrücke erspare ich uns allen hier.
Da schauen wir uns doch lieber die Auslagen der Shopping-Mall an. Was für uns der Gardasee, ist für die Kirgisen der schöne Issyk Kul.


Darum trägt das kirgisische Meer auch den wohlklingenden Beinamen „Perle des Tien Shan“, übersetzt heißt Issyk Kul einfach „heißer See“. Heiß ist er nicht wirklich, aber für seine Lage auf 1609 m Höhe ist er sehr warm und friert wegen des Salzgehaltes nie zu. Nach dem Titicacasee in Peru ist er der zweitgrößte Hochgebirgssee und auch einer der tiefsten der Welt. Ein besonderes Phänomen: der Issyk Kul hat 100 Zuflüsse aus den Bergen und keinen einzigen Abfluss. Der Wasserstand reguliert sich also ausschließlich über Verdunstung. Im Norden wird er geschmückt von dem Kungej Ala Too, dem der Sonne zugewandten bunten Gebirge, im Süden – fast schon logisch – von dem dem Schatten zugewandten bunten Gebirge, Terskej Ala Too . Wieder was gelernt 🙂
Beim zweiten Anlauf im CBT-Office machen wir schließlich für den nächsten Tag eine 2-tägige Pferde-Trekking-Tour auf den 3847 m hohen Hausberg Tashtar-Ata klar. In der Umgebung von Bokonbaevo gibt es zwei Yurt Camps direkt am See. Wir wählen das einfachere und lassen uns vom Taxi hinbringen. Die Zufahrt ist eher weniger bekannt und fast schon feldwegmäßig abseits gelegen, aber der Taxifahrer freut sich mit uns, dass er uns schließlich doch noch ans Ziel gebracht hat und schenkt uns zum billigen Fahrpreis noch eine Flasche Mineralwasser mit Geschmack. Witzigerweise erweist sich gerade dieses Getränk als total lecker und ab dem Zeitpunkt sind wir in allen Läden auf der Jagd nach genau dieser Marke.


Das Yurt Camp Bel Tam liegt traumhaft direkt am glasklaren Issyk Kul. Nurwot, ein junger Kirgise mit geschätzten 14 Jahren, empfängt uns freudig und geschäftstüchtig in Englisch und führt uns kurzerhand zur Jurte namens „Rabbit“ direkt in erster Reihe zum See und mit Blick auf die kirgisisch-kasachischen Berge. Na, wenn das kein Zufall ist?! Hasi ist sichtlich erfreut und fühlt sich gleich zuhause – wir auch.



Das Camp sieht auf den ersten Blick aus wie im wilden Westen, einfache Jurten auf staubigem Boden – also ganz unser Ding. Erst beim Rundgang bemerken wir, wie liebevoll und naturnah die Anlage gebaut und gepflegt wird. Die sanitären Anlagen sind top und die große Gemeinschaftsjurte für Frühstück und Abendessen eine Augenweide. Viele hübsche Details fallen uns allerorts ins Auge.




Sehr glücklich und zufrieden machen Lea und ich uns auf zum ersten Bad im einsamen Issyk Kul und genießen den strahlend blauen Himmel, das warme Wasser und den atemberaubenden Blick auf die schneebedeckten Berge im Norden und die farbigen im Süden.



Den ganzen Nachmittag chillen wir am Strand und üben uns äußerst erfolgreich darin, uns beim Nichtstun nicht zu langweilen. Der leuchtend rote Sonnenbrand am Abend mahnt uns jedoch, dass wir uns zumindest hätten öfters eincremen sollen.


Zum ersten Mal während unserer Kirgistan-Reise sitzen wir mit vielen anderen Travellern beim Abendessen in der großen Gemeinschaftsjurte. Leider entpuppt sich eine aufgescheuchte, geltungsbedürftige Deutsche recht schnell als furchtbar nervig und verbal raumeinnehmend, so dass es uns nicht nur die Sprache verschlägt, sondern uns auch der Appetit vergeht. Die französische Familie ist ebenfalls nur bedingt zu ertragen. Keiner von ihnen hat vegetarisch bestellt, aber die verzogenen Kids bedienen sich wild an unseren Gerichten und fieseln alles was ihnen nicht taugt akribisch und mit angewidertem Augenaufschlag heraus. Da ist Fremdschämen angesagt. Lea und ich fühlen uns sowas von unwohl in dieser Gesellschaft und verziehen uns stillschweigend noch vor der Nachspeise.

Nach einer wunderbaren Nacht mit Wellenrauschen und sternenklarem Himmelszelt geht es für uns am nächsten Morgen um 9.15 Uhr erst mit dem Taxi zum CBT-Office in Bokonbaevo und anschließend mitsamt unserer 2-Tages-Verpflegung im Kofferraum zum Standplatz der Pferde außerhalb der Stadt. Unser Guide Bekzat hat schon aufgesattelt und erwartet uns. Er ist super nett, lustig und redselig. Letzteres hat meist nur Auswirkungen auf mich, gell Lea?!
Unsere animalischen Transportmittel auf vier Beinen sind ein hübscher, schwarz-weißer Hengst, auf dem ich Platz nehme, ein kleiner Brauner für die große blonde Lea und ein großer Brauner, Bekzats erklärter Liebling. Insgeheim fragen wir uns, warum die reiterfahrene Lea den etwas trägen kleinen Braunen reitet und ich No-Name-Cowboy den unkastrierten Hengst, der bei jedem Windchen einer sich nähernden Stutenherde ganz nervös wird und auf- oder besser gesagt erregt der Angebeteten entgegen wiehert. Wen wundert’s, dass schon bald ein Tausch ansteht. Leas Vierbeiner kommt einfach nicht voran, sodass Bekzat sich dem störrischen Jungspund annimmt und Lea sein bestes Stück im Stall reiten darf. Ich komme mit meinem Mannsbild gut zurecht, solange keine Weiber in der Nähe sind.

Das kommt zum Glück nicht allzu häufig vor. Die Landschaft ist nur dünn besiedelt und es ist ein Traum, sich auf dem Pferderücken durch diese phantastische Naturkulisse tragen zu lassen.






Hier und da passieren wir Einöd-Jurten der Schäfer mit ihren Rinder-, Schaf-, Ziegen- oder Pferdeherden, queren Gebirgsbäche und genießen die Weite der grünen Landschaft. Bekzat unterhält uns nebenbei mit allerlei augenzwinkernden Witzchen und Späßen und schafft es sogar, Lea „ins Gespräch zu verwickeln“.


Beim Anstieg in höhere Gefilde streuen endlich ein paar Blumen und Blüten bunte Farbtupfer ins Grün und begleiten uns bis zum Gipfel des 3847 m hohen Tashtar Ata, den wir nach zwei Stunden hoch zu Ross gegen Mittag erreichen.







Neben der bunten Flora genießen wir einen gewaltigen Blick auf das kirgisische Meer, die vielfarbenen Bergzüge und die 4500-4750 m hohen Schneeberge des Teskej Ala Too, das „dem Schatten zugewandte bunte Gebirge“.



Gut, dass wir an diesem wunderbaren Platz innehalten und uns Zeit fürs Schauen, Genießen und für ein leckeres Picknick nehmen.



Nachdem wir uns ausgiebig satt gesehen und satt gegessen haben, heißt es wieder aufsteigen und nur eine knappe Stunde später braut sich hinter uns ein mächtiges Gewitter zusammen. Lea und ich werfen besorgte Schulterblicke zurück. So ganz geheuer erscheint es uns nicht, in diesen baumlosen Höhen ins Zentrum von Donner und Blitz zu geraten. Doch Bekzat ist völlig desinteressiert und macht auf „Easy-Rider“, sodass uns nichts anderes übrig bleibt, als uns ebenfalls ausschließlich auf den vor uns liegenden blauen Himmel und die beruhigenden, sanften Hügelketten zu konzentrieren.



Über den nächsten Hügel wehen dann plötzlich große Duftschwaden von willigen Stuten meinem Macho-Reittier in die Nüstern. In der Talsenke grast eine riesige Pferdeherde. Mein schwarz-weißer Gaul leftzt die Nüstern, spitzt die Schlitzohren und wiehert ungestüm und erregt. Ich straffe die Zügel, aber bei dem Gedanken, den wilden Mann an den willigen Stuten vorbeizudirigieren, ist mir ganz und gar nicht wohl.
Bekzat ist nicht unerfreut, dass ich den kleinen, faulen Braunen gegen den Hengst eintauschen will. Er hat ihn doch ziemlich viel mit Peitschenhieben und Fersenkicks malträtiert, um ihn in Bewegung zu halten. Aber kaum ist „Pferdeflüsterin Andrea“ aufgestiegen, läuft das Pferdchen wie von selbst federleicht und vernügt direkt neben Lea mit dem Leittier her. So eine Überraschung! Wir zwei verstehen uns bestens, zudem hat der Sitzkomfort auf dem schmalen Rücken geradezu Couch-Qualitäten, wenn der Kleine in einem angenehmen, weichen Rhythmus vor sich hin trabt.




Nach weiteren Aufs und Abs führt uns der Weg über einen Tannen- und Gestrüpp-bewachsenen, steilen Nordhang wieder einige Höhenmeter nach unten unserem Tagesziel, Bas Salkyn Jailoo, entgegen und nach 7 Stunden erreichen wir endlich unsere Schäfer-Familie auf einer famosen Hochebene mit Blick zum großen Issyk Kul-See.




Die spartanische Idylle ist perfekt: eine Einraum-Holzhütte zum Verweilen und Essen, ein Feuerstellen-Unterstand zum Kochen, ein windgeschützter Freisitz zum Trinken, vier einfache Jurten zum Schlafen, das Plumsklo zum …, die obligatorische Schaukel zum Spaß haben und neben der 7-köpfigen Familie natürlich jede Menge PS auf vier Beinen oder vier Rädern sowie anderes Getier.

Anfangs haben wir keinen Überblick, wer denn nun überhaupt zur Familie gehört, so umtriebig ist es hier. Die Schäfer-Jurte ist über einen Feld-Wald-Wiesen-Weg auch vierrädrig zu erreichen und wird von den Einheimischen und Besuchern aus Bokonbaevo gerne angefahren. Sei es, um hier einige Tage in der Jurte zu verbringen oder nur um die frische Stuten-Milch zu trinken oder den Wochenvorrat an Kymyz zu besorgen.


Nachdem die Stuten alle 2 Stunden gemolken werden, ist es kein Zufall, dass auch wir dabei zuschauen können und eingeladen werden, die frisch gezapfte Stutenmilch aus dem Putzeimer zu verkosten. (Anmerk.: Das die Pferdl so dürr sind, ist wohl auf den sehr trockenen, niederschlagsarmen Winter mit wenig Futterangebot zurückzuführen.)


Es ist schon etwas surreal, wenn uns die beiden modisch aufgebrezelten Stadt-Mädels mit Sonnenbrillen und lackierten Fingernägeln ganz euphorisch von der Heilwirkung der Milch vorschwärmen. Besonders empfehlenswert ist eine Kur, zu der man für eine Woche jeweils fünfmal am Tag die Stutenmilch zu sich nimm. Das soll Magen und Darm reinigen und überhaupt vor so ziemlich allen Krankheiten und Leiden schützen. Nach der mehrmaligen, mit Handzeichen unterstützten, verbalen Wiederholung der strengen Wirkung des Gesöffs auf Magen und Darm, beschränken wir unsere Geschmacksprobe trotz aller Vorzüge auf einen klitzekleinen Nipp. Nur um ganz sicher zu gehen, begießen wir das Ganze anschließend noch in geselliger Runde mit Wodka-Cola.

Vom Tal ist Eugen mit Familie vorgefahren. Er ist mit Bekzat befreundet und sozusagen ein vor Jahrzehnten in Kirgistan „hängen gebliebener“ Deutscher. Er führt sehr erfolgreich das zweite, etwas edlere Jurten-Camp am Issyk-Kul.



Auch eine andere kinderreiche Familie hat inzwischen ihre Jurte bezogen, während ihr Hammelfleisch für das kirgisische Nationalgericht Beschbarmak, das als Mitternachtsmahl serviert wird, recht farblos vor sich hin köchelt.


Wir schätzen uns glücklich, dass wir dazu nicht eingeladen werden, sondern in der Einraum-Holzhütte auf uns ein super leckerer Eintopf wartet. Nun wird auch klar, wer hier auf der Hochebene tatsächlich zur Schäferfamilie gehört. Vier Generationen sitzen bodennah-stuhllos am Tisch, angefangen bei der Großmutter mit sage und schreibe 97 Jahren bis hin zum erst ein paar Wochen alten Urenkel!! Die Atmosphäre ist überwältigend, die Einfachheit, das Alltägliche und Beständige ist so intensiv spürbar – wir sind in einer anderen Welt!




Mit einem wunderbaren Sonnenuntergang über dem Issyk Kul verabschiedet uns der ereignisreiche Tag in die unruhige Nacht. Das schwere Essen, die dünne Luft auf 2500 m, die Festivitäten der Nachbarn, das Getrappel, Muhen, Mähen, Wiehern, Iaen des Viehs und nicht zuletzt der stürmische Wind halten unsere Sinne vom Schlafen ab.


Am sehr frühen Morgen zieht dann endlich das schon zu erwartende Gewitter auf, es donnert und regnet. Ups, unser Jurtendach ist nicht wirklich dicht. An einigen Stellen wird es ziemlich schnell ziemlich nass und wir versuchen aufgeschreckt, unser Hab und Gut in Sicherheit zu bringen. An Schlaf ist jetzt auf den verbleibenden trockenen Stellen auch nicht mehr zu denken.
Deshalb sind wir froh, als das Gewitter nach zwei Stunden endlich weiter zieht und wir um 9 Uhr zum Frühstück in die warme Hütte dürfen. Um 10 Uhr heißt es dann aufsatteln und Abschied nehmen.




Noch einmal besteigen wir mit unseren Vierbeinern einen Aussichtsgipfel mit Blick auf See, Berge und Bokonbaevo mit den Anbaufeldern rundum. Wie schön!! Und wir haben sogar die farblich passenden T-Shirts an 🙂




Der Weg zurück in die Stadt führt uns über die weniger attraktive Feld-Schotter-Fahrstraße. Da stellt sich schon ein bisschen Wehmut ein. Gerne hätten wir noch mehr Zeit in der unberührten, schönen Bergwelt verbracht. So richtig zieht es uns nicht zurück in die Zivilisation.




Bekzat hingegen freut sich, bald wieder daheim bei seiner Frau zu sein. Er singt und spinnt übermütig vor sich hin und demonstriert uns akrobatische Reiteinlagen. Mit der Stadt in Sicht dürfen Lea und ich mit unseren Pferden auch mal einen Gang höher schalten und Galopp reiten. Ganz klar, meine Karosse ist eher ein VW, Leas eindeutig ein BMW oder Audi. Die Beschleunigung des große Braunen ist phänomenal!
Im Ortszentrum von Bokonbaevo binden wir unsere treuen Begleiter wie im Western an einen Gartenzaun. Freund Eugen wird die Pferdl später abholen. Derweil lädt uns Bekzat zum Abschied noch in einen Hinterhof-Imbiss zu Hoshan (gefüllte Teigtaschen), Chai und Kymyz ein.



Den restlichen Nachmittag könnten wir noch nutzen, um die im Reiseführer als Hauptattraktion beschriebenen Felt Art Studios zu besuchen. Nachdem wir die Filzwerkstätten weder in Google noch in MapsMe ausfindig machen und orten können, fragen wir im CBT-Office nach. Großes Schulterzucken… diese Einrichtung kennt hier niemand. Zum Glück erreiche ich die Leiterin der Felt Art Studios per WhatsApp und kann mit einer Straßenangabe glänzen: Lenin-Straße bei der Moschee. Die Freude währt nur kurz, auch die Lenin-Straße ist GPS-mäßig nicht zu tracken, weil die Straße in Google und MapsMe in Russisch oder Kirgisisch bezeichnet sind. Der nächste Versuch führt uns in die Touristeninfo gegenüber dem CBT. Mmh, auch da fragende Blicke, aber eine große Hilfsbereitschaft. Kurzerhand werden noch ein paar andere Umherstehende befragt, wovon einer glaubt zu wissen, wo die Lenin-Straße ist.
Nach dieser Frage-Odyssee wagen wir schon gar nicht mehr daran zu glauben, dass diese Filzmanufaktur, die von Frauen betrieben wird, real existiert. Trotzdem machen wir uns auf den Weg, den langen Weg (alle Straßen in kirgisischen Ortschaften sind km-lang). Nach ein paar Irrläufern stehen wir mit detektivischem Gespür à la Miss Marple vor einem Haus mit hoher Mauer und einem Jurtenzelt im Hof, von dem nur das obere Dach zu erkennen ist. Kein Wegweiser, kein Schild am Haus, aber die Adresse stimmt.

Ein Esel …

In der Ferne eine Moschee …

Der Touristenmagnet Bokonbaevos: die Felt Art Studios
Die Frauen der Filzmanufaktur sitzen gerade beim Tee, die Leiterin begrüßt uns freudig, spricht aber nur wenig Englisch. Gerne hätte sie uns zum Shyrdak-Workshop am Abend eingeladen, aber einen Teppich möchten wir eigentlich nicht im Rucksack mit uns tragen. Wir sind ein bisschen stur und so sind zwei Frauen schließlich bereit, uns eine kleine Privatführung durch die Werkstätten zu geben.


Zuerst werden zwei verschieden farbige Lagen Filz aufeinander gelegt und fixiert. Die Handwerkerinnen zeichnen die geometrischen Motive und Ornamente freihand mit Kreide auf, um sie anschließend auszuschneiden.



Danach werden die „Filzintarsien“ farblich getauscht und in einer speziellen Technik mit einem Doppelgarn appliziert.



Nach dieser anschaulichen Demonstration werfen wir noch einen Blick in das Nebengebäude, wo die Jurtenfilze hergestellt werden. Das ist vielleicht eine mühseelige Arbeit, da bekommt man schon beim Zuschauen Rückenschmerzen.
Zuerst wird die gereinigte Schafwolle ganz dicht in dicken Schichten auf einer Bastmatte ausgelegt, dann mit heißem Wasser begossen und mit vereinten Kräften zusammengerollt.




In dieser altertümlichen Maschine wird die dicke Filzwurst dann ordentlich durchgewalkt, gepresst und entwässert. Das dauert einige Zeit.


Übrigens: Für eine Jurte mit 5 m Durchmesser benötigt man die Wolle von 150 Schafen!
Am Ende besuchen wir noch den Shop. Wunderschön und sauber gearbeitet sind die Shyrdaks, aber halt kein leichtes Mitbringsel – weder was das Gewicht angeht, noch die Kosten. Lea ersteht dann aber zumindest einen hübschen Schal für Schwester Lara und natürlich spenden wir auch einen angemessenen Betrag für die Sonderführung.
Ist das nicht ein Traum!?!


Zufrieden mit unserem Tagesprogramm schnappen wir uns ein Taxi und lassen uns wieder zu unserem Yurt Camp Bel Tam am Issyk Kul chauffieren. Das nervige deutsche Traveller-Pärchen ist immer noch da und so kommt es uns gerade recht, dass alle Jurten auf der Hauptanlage vergeben sind und wir in der etwas abseits gelegenen neuen Siedlung Unterschlupf finden. In unserer neuen Jurte stehen uns sage und schreibe 5 Matratzen zur Verfügung.


Dort haben wir auch unseren eigenen Ess-Jurtenbau, wo wir in netter Gesellschaft einer Schweizer Familie und zweier mit Mietwagen reisender Schweizer Jungs zum dritten Mal einen leckeren Kurdak-Eintopf essen. Zum allerersten Mal bekommen wir heute Wassermelone als Nachspeise kredenzt, obwohl Melone hier in Kirgistan eigentlich das Standard-Dessert sein soll.


Nach dem Zähneputzen schlendern wir auf dem Weg zu unserer Schlaf-Jurte im Taschenlampenlicht an einem Motorrad mit EBE-Kennzeichen vorbei. Daneben hat es sich der dazugehörige Fahrer mit Kerzenschein und einer Flasche Rotwein gemütlich gemacht. Kurzerhand quatsche ich den Reisenden an und stellt euch vor: es ist Jochen (Joe) Speicher aus Markt Schwaben, dem Nachbarort von Ottenhofen! Ist das nicht ein Zufall! Joe ist bereits seit Anfang Mai unterwegs und tourt – nur mit Motorrad und Zelt – alleine nach Ulan Bator in der Mongolei. Dort trifft er im August seine Familie und Verwandtschaft. Super interessant und spannend!
Mit solchen Abenteuergeschichten im Kopf lässt es sich in der Jurte am See gut träumen.

Griaß Di Andrea,
schön wieder was von dir zu lesen und zu sehen ,scheinst ja inzwischen recht sattelfet zu sein . Inzwischen hab ich auch meinen Aragon soweit das er sich problemlos reiten lässt ,er ist erst 3 ,lässt sich jedoch ohne Gebiss sehr gut lenken ,haben schon einen Wanderrit von 50 km hinter uns ,da kannst Du sicher nur müde lächeln bei deinen Touren 😉
Grüßle Reinhard