WILDE WASSER UND HEISSE QUELLEN

Oh, oh, zum ersten Mal auf unserer Reise durch Kirgistan ist das Wetter richtig schlecht. Dicke, dunkle Wolken hängen schwer am Himmel. Deshalb macht es uns auch nichts aus, für das Frühstück im Neofit Hotel in die düsteren Katakomben hinabzusteigen. Das leckere und umfangreiche Angebot auf dem Tisch hellt die Stimmung auf und lenkt vom laufenden TV-Programm ab. Gut gestärkt entsteigen wir dem Gewölbe und stürzen uns ins Getümmel.

Mit der Marschrutka soll es zum Wandern nach Jety Ögüz gehen. Wir studieren am Busstop den Abfahrtsplan auf Kyrillisch, entscheiden uns dann aber doch, lieber dem nächsten Marschrutka-Fahrer „Jety Ögüz“ entgegen zu rufen. Leider verschont uns auch diese Taktik nicht von den Tücken der mangelhaften Verständigung. Unsere Annahme, für 20 SOM zumindest bis zum Basar zu kommen, wo nach Reiseführer die offizielle Marschrutka nach Jety Ögüz abfährt, währt nur wenige Minuten. Dann bittet uns der Fahrer an irgendeiner Kreuzung in Karakol wieder auszusteigen. Wir bekommen zwar mangels Fahrservice das Fahrgeld zurück, wissen allerdings immer noch nicht, wie wir von hier weiter kommen.

Schlussendlich muss wieder ein Taxi herhalten. Das Auto ist schick, die Frontscheibe kreativ … und wir hoffen, dass sie die 30 km bis zum Ziel noch hält. Dort im Outback angekommen, fragen wir uns, ob der etwas trostlose Anblick des alten Kurorts nebst Sanatorium wohl ausschließlich dem miesepetrigen Wetter zuzuschreiben oder auch bei Sonnenschein mittelprächtig ist. Wahrzeichen und Namensgeber des Ortes und Tales ist die rote Sandsteinformation der „7 Bullen“ und auch mit einem „gebrochenen Herzen“ kann Jety Ögüz aufwarten.

So ganz gewiss ist uns in dieser Einöde noch nicht, was dieser verregnete Tag bringen soll. Aber guten Mutes und optimistisch legen wir die Trekking-Wetsuits an und starten unsere Tour entlang des Jety Ögüz-Flusses. Der zeigt mit seinen wilden Wassermassen, dass er von ganz weit oben, nämlich vom 5216 m hohen Pic Karakol, kommt. Einen großen Vorteil hat das schlechte Wetter an diesem Samstag: der Ansturm von kirgisischen und russischen Sommer- und Wochenendfrischlern, die bis in den letzten Talgrund mit dem Auto hinaufjuckeln, hält sich stark in Grenzen.

Nach 1 ½ Stunden Aufstieg öffnet sich das enge Flußtal und schwappt uns hinaus in satte grüne Wiesen und Weiden. Die Landschaft hier ähnelt sehr unseren Alpen. Anstelle von Hütten gibt es Jurten und zu den Kühen auf der Alm gesellen sich Schaf- und Pferdeherden.

Mit dem Mercedes auf die Alm!

Noch weitere 2 ½ Stunden wandern wir – von oben trocken – immer der Nase lang, genießen die Natur und treffen auf eine israelische Reisegruppe, die fast am Talende ihre Zelte aufgeschlagen hat, um am nächsten Tag den Pass zu erklimmen. Aber soweit wir auch wandern, die tiefen Wolken Richtung Süden gewähren uns einfach keinen Blick auf die schneebedeckten Gipfel des Tien Shan.

So kehren wir nach 4 Stunden endgültig um und machen uns an den langen Abstieg. Satte 25 km sind wir heute hin und zurück gelaufen. Das sollte genug Training für die morgige Tour sein.

Nach einem kleinen Imbiss in Jety Ögüz schnappen wir uns ein Taxi zurück nach Karakol. Die Fahrten sind immer wieder spannend und unvorhersehbar. Mitten auf der Strecke werden wir an einer Tankstelle wieder einmal an einen Kumpel weitergereicht und finden uns neben einer Ladung Eier und Kymyz auf der neuen Rückbank wieder. Kein Mensch weiß, wie die das im Nachhinein mit der Bezahlung regeln.

Zurück in Karakol geht’s erst unter die heiße Dusche und anschließend zum Essen. Schaschlik fehlt noch auf unserer „To-eat-Liste“. Und hört, hört, das gibt’s im Lokal unserer Wahl, obwohl es nicht auf der Karte steht. Wir bestellen die Light-Version „Huhn“, die jedoch nach Rücksprache mit der Küche dann doch nicht vorhanden ist. Zur Wahl stehen Hammel und Rind. Auch mein süffiges Bier bleibt mangels Nachschub das erste und einzige des Abends. An die von den Kirgisen wohl so geliebten „Ess-Boxen“ in den Restaurants werde ich mich nie gewöhnen. Naja, die Geschmäcker für alle Sinne sind halt verschieden.

Eigentlich hatte ich die Reise so geplant, dass wir den zweiwöchig im sonntäglichen Morgengrauen stattfindenden Viehmarkt in Karakol besuchen können. Das Anpreisen, Begutachten, Feilschen und Handeln von Schafen, Pferden, Rindern und Ziegen soll ein recht archaisches Erlebnis sein und nichts für schwache Gemüter oder am Ende Tierliebhaber und Veganer. Zum Glück hat es die ganze Nacht so heftig geregnet, dass uns die Entscheidung hinzugehen praktischerweise abgenommen wird. Stattdessen mümmeln wir uns noch einmal in die warmen Bettdecken und begrüßen um 7 Uhr die wieder zurückgekehrte Sonne.

Wir rüsten uns für die Zwei-Tages-Tour nach Altyn Arashan (Goldenes Bad). Wie der Name schon vermuten lässt, erwarten uns dort neben einer traumhaften Bergwelt auch heiße Quellen – also Wellness-Ausstattung nicht vergessen! Dieses Mal erwischen wir sogar die richtige Marschrutka 350 Richtung Ak Suu. Fast wären wir dann aber doch ins falsche Tal weitergefahren, aber Lea hat maps.me-mäßig alles unter Kontrolle und so hüpfen wir am Abzweig noch schnell aus der Marschrutka.

Bei bestem Wetter beginnen wir den wunderschönen Aufstieg nach Altyn Arashan, bewundern Blumen, unbekannte Bäume und Sträuche, verfolgen Schmetterlinge und werden stets begleitet vom Rauschen des großen Gebirgsflusses Arashan.

Per pedes sind wir auf der 15 km langen Strecke gute 5 Stunden unterwegs. Natürlich (oder leider) kann man sich auch mit einem der Offroad-Trucks hochfahren lassen, was bei dieser „Straßenlagen“ aber auch kein Zuckerschlecken fürs Steißbein ist. Minimum 3 Stunden muss man sich dafür durchwalken und malträtieren lassen, da ist ein Bad in den heißen Quellen unabdingbar! Lea und ich genießen unseren Slow-Walk und viele Fotos weiter erreichen wir nach gut 4 ½ Stunden diese Kuppe mit einer traumhaften Aussicht auf die Hochebene von Altyn Arashan!

Was für ein Ausblick – ganz in der Ferne spitzt ein Schneeberg des Tien Shan hervor – und dann diese Ruhe. Wir lassen uns spontan in der Blumenwiese und Kuhweide nieder und saugen beides für eine Stunde lang ein bevor wir absteigen nach Altyn Arashan.

Vorbei an vielen Guesthouses und Yurt Camps, einige schon mit billigen China-Nachbauten ausgestattet, und am Mini-Shop führt uns der Weg über die Brücke zum hübsch gelegenen, schnuckligen Yurt Camp von VIP Travel. Nach der Begrüßung mit dem obligatorischen Chai weisen uns die Hausherren eine süße Mini-Jurte zu – mit bestem Blick auf Bergwelt, Wanderweg, Weide, Guesthouses und die Badehäuser am Fluss. Wir sind glücklich!!

Der Mini-Shop

Noch glücklicher stimmt uns der anschließende Besuch der Camp-eigenen heißen Quellen. Die Wellness-Oase im Badehaus No. 6 erwartet uns! Bilder sagen mehr als 1000 Worte, die kleinste Therme der Welt überwältigt uns und das Grinsen in unseren Gesichtern will gar nicht mehr weg gehen:

Nach diesem geilen Erlebnis sitzen wir noch lange auf der Bank und schauen zufrieden in die Landschaft. Ehrlich gesagt möchten wir gerade nicht mit den Wanderern tauschen, die müde mit ihren schweren Rucksäcken den Berg absteigen. Sie haben die alpine 3-Tages-Tour zum großen Gebirgssee Ala Köl in den Knochen. Etwas leichter haben es diejenigen, die sich dazu einer Gruppe angeschlossen haben und ihr Koch- und Übernachtungsgepäck leichtfüßig von den zierlichen kirgisischen Guides schleppen lassen. Auch das Beobachten der motorisiert hergebrachten Pauschaltouristen ist eine Augenweide… das Zögern beim Betreten der Eigenbau-Thermen, der Kleiderwechsel vorm „Dinner“ und das abendliche Flanieren um die „Hotelanlage“ – einfach köstlich!

Ein ausgezeichnetes Lagman aus der Freiluftküche rundet unseren fantastischen Wandertag ab. Ohne Frage, wir haben alles richtig gemacht und genießen ein tolles Abendlicht und eine letzte urige Jurtennacht am Berg.

Trotz nächtlichem Gewitter schlafen wir gut, aber es ist merklich kälter geworden. Nach dem Frühstück verabschieden wir uns von dieser herrlichen Hochebene und machen wir uns an den 4-stündigen, abwechslungsreichen Abstieg.

Am Abzweig zur Straße angekommen warten wir nicht lange, bevor der erste Minibus hält. Der ist zwar kein offizielles Taxi, aber der Privat-Chauffeur verlangt einen angemessenen Preis. Also, nichts wie rein in den fahrbaren Untersatz und heim geht’s nach Karakol, wo wir um 13 Uhr in unserem Hotel Neofit einlaufen.

Ein Gedanke zu “WILDE WASSER UND HEISSE QUELLEN

  1. Reinhard schreibt:
    Avatar von Reinhard

    Hallo Andrea , sind das “ Fake News “ die Kühe und die Landschaft sehen doch aus wie in den Bayrischen Alpen 😉

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