HEILIGE NACHT STATT LICHTERFEST IN CHIANG MAI

Für mich geht die Reise am Morgen des Heiligabend weiter. Ausreichend früh steuere ich den zentralen Busbahnhof in Chiang Rai an, um noch einen leckeren Cappucchino zu trinken. Aber die stylischen Coffee-Shops haben leider um diese Zeit noch alle zu, das typische, warm-würzige Thai-Frühstück aus einer der Garküchen weidet mich um diese Zeit nicht wirklich an und der Kaffee im Bahnhofsimbiss schmeckt trotz High-Tech-Automat so lala. Hasi und ich machen es uns auf dem Einzelsitz im klimatisierten Greenbus gemütlich. Der bringt uns in 3,5 Stunden aus dem relativ ruhigen Chiang Rai ins quirlige und laute Chiang Mai. Dass in Chiang Mai ein ganz anderer Vibe herrscht, stelle ich bereits auf meiner Stop-and-Go-Fahrt mit dem Songthaew vom Busbahnhof zum About a Bed Hostel nahe der Altstadtmauer fest.

Allein das von Kanälen eingefasste Altstadtquadrat innerhalb der früheren Stadtmauer, von der nur noch hier und da Teile stehen, überfordert mich extrem. Obwohl reiseerprobt, fühle ich mich hier tagelang erschlagen von dem Gewirr an gleichausschauenden Straßen, Gassen und Sackgassen, der Unzahl an Wats und der touristischen Ausrichtung mit entsprechendem Lärmpegel und Verkehr. Oft orientierungslos muss ich in dem unübersichtlichen Karree der Altstadt immer wieder Google Maps und Maps.me bemühen, um einen schönen Ort (wieder) zu finden oder durch das richtige Stadttor nach Hause zu kommen. Bis zum Schluss werde ich nicht richtig warm mit der Stadt, die alle so lieben.

Also, auf geht’s ins Getümmel. Meine erste Erkundungsrunde führt mich vorbei am Women’s Massage Center by Ex-Prisoners zum Wat Phan Tao. Der wunderschöne Teakholz-Tempel ist ganz zentral gelegen und entsprechend viel besucht, behält aber durch die heimelige Größe und die warme Ausstrahlung des Holzes, der Schnitzereien und Intarsien eine ruhige Atmosphäre.

Kaum zurück auf der Straße „falle“ ich auch schon in den nächsten geschichtsträchtigen Tempel, den Wat Chedi Luang. Von Mitte des 14. bis Mitte des 15. Jhdt. logierte auch hier der legendäre Smaragd-Buddha, bevor er nach Luang Prabang auswanderte. Es ist ganz wunderbar, im goldenen Abendlicht durch das Arrangement der vielen kunstvoll geschmückten Gebäude zu wandeln und dann … dem Gesang der Mönche in einem wahrlich kleinen Ubosot zu lauschen.

Ordination im Wat Chedi Luang I
Ordination im Wat Chedi Luang II

Zu guter Letzt zieht es mich noch in den etwas kitschigen Wat Muentoom. Die Laternen hier leuchten besonders schön, das passt doch wunderbar zum heutigen Heiligabend, der bei mir ja schon viel früher angebrochen ist, als daheim in Bayern. Wenn bei Euch um 18 Uhr die Kirchenglocken läuten, schlägt es bei mir Mitternacht.

Aber die musikalische Untermalung zum Weihnachtsfest ist auch im fernen Chiang Mai gewährleistet. „Adeste fideles“ spielt das Ensemble in der Einkaufspassage und da werde doch selbst ich etwas melancholisch. Nach einem kurzen Musikgenuss entscheide ich mich spontan, mir an diesem feierlichen Abend noch eine Massage zu gönnen. Und auch die ist ganz besonders: Ihm, etwa gleich alt wie ich, ist eine wunderbare Masseurin und uns eint sogleich eine innige Zuneigung zueinander. Zuerst ist Teetrinken und Füßewaschen angesagt, dann steckt mich Ihm mit viel Gelächter und Blödeln in ein spezielles Massagegewand, bevor sie mich eine Stunde genussvoll von Kopf bis Fuß durchwalkt. Herrlich!

Nach einem Absacker in einer Bar mache ich mich gegen Mitternacht auf den Weg zu meinem Hostel. Außerhalb des Altstadtrings angekommen, stelle ich fest, dass die breiten Bürgersteige der mehrspurigen Hauptstraße zu einem Open-Air-Streetfood-Restaurant mutiert sind. Unzählige Stände, Garküchen und Take-aways reihen sich fast lückenlos aneinander … spannend, interessant, aber die Essensangebote sind wohl doch eher für thailändische Mägen bestimmt.

Euch allen „Frohe Weihnachten“ zuhause!!

Zwar kein erster Weihnachtsfeiertag, aber zumindest Sonntag ist in Chiang Mai. Das heißt erst einmal ausschlafen, duschen und dann entspannt wieder losziehen auf Entdeckungstour. Ganz nahe beim Hostel schaue ich mir den über 500 Jahre alten Wat Lok Mo Li an. Er ist im Lanna-Stil gebaut: klein aber oho!

Auch hier zeigt sich, dass der Ideenreichtum zur Generation von Spenden und zur Optimierung des Karmas im Buddhismus schier unerschöpflich ist. Neben den gewöhnlichen gläsernen Sammelboxen, den traditionellen Schalen und Geldfahnen, den Blumen-/Speisen- und Kerzenspenden bietet sich vielerorts auch die Option zum Kauf von Dachziegeln, Mauerziegeln, Fischfutter, Fischbesatz oder das Niederlegen schriftlicher Bitten auf Stoffbahnen, silbrigen Blättern u.a. an. Getoppt wird das an zwei Tempeln in Chiang Mai noch durch eine Mini-Seilbahn, mit der ein goldener Hahn und ein – ich vermute mit geweihtem Wasser befülltes – Bambusrohr zur oberen Plattform des Chedis hochgezogen und dort zu Ehren Buddhas entleert wird.

Video Gockl-Seilbahn im Wat Lok Mo Li

Nach einem Straßenseitenwechsel tauche ich wieder in die Altstadt ein, immer wieder links und rechts umgeben von kleineren, unbekannteren Wats. Beim Wat Kuan Kama denke ich schmunzelnd, dass die Thais vielleicht doch eher ein gestalterisches Händchen für Elefanten, Tiger und Drachen haben, als für Pferde.

Mein Ziel ist das Reform-Kafé, wo ich um 11 Uhr ein lecker-gesundes Frühstück in stylischem Ambiente genieße, ein paar Tagebuchnotizen mache und meine Tage in Chiang Mai nach der ENP-Volunteering-Woche plane.

Völlig entspannt, happy und zufrieden schlendere ich weiter durch Chiang Mais Old City. Na ja, wenn man da von „Altstadt“ reden mag. Irgendwie hatte ich mir das idyllischer vorgestellt. Abseits der Hauptstraßen findet man tatsächlich in den verwinkelten Gassen auch ein paar alte, verschachtelte Holzhäuser.

Bei der individuellen Gestaltung tun sich Welten auf:

Aber das Leben pulsiert an den Hauptschlagadern wie der Thannon Ratchadamnoen oder der Thannon Ratchamankha, wo auch der riesige Nachtmarkt am Sonntagabend stattfindet. Die meisten Gebäude sind mindestens 4-stöckig und der Blick nach oben verfängt sich allzu schnell im Gewirr der schwarzen Stromleitungsknäuel. Schlaglöcher, das Auf und Ab der Bürgersteige und der rege Verkehr fordern höchste Aufmerksamkeit.

Doch da komme ich wieder an einem Ort der Ruhe vorbei: das kleine Wat Inthakhin Sadue Muang, das mich im Innern mit seinen bunten, fröhlichen Farben erfreut. 

Danach geht es gleich weiter zum Wat Phra Singh, dem wichtigsten Tempel der Altstadt. Der Mondhop (Versammlungspavillon), die Lai-Kham-Kapelle und der große goldene Chedi stehen eng beieinander und bilden eine symbiotische Einheit.

Eine Besonderheit hier sind die lebensechten Mönche aus Wachs:

Ich nutze die Gelegenheit, suche mir ein schattiges Plätzchen und beobachte … Und je mehr Zeit ich in Thailand verbringe und dem Treiben in den Tempelanlagen zuschaue, umso unglaubwürdig wird mir (auch) der Buddhismus. Irgendwie scheinen mir die Grundsätze der Lehre doch sehr ins Hintertreffen zu geraten. Was nützt ein theoretischer Respekt vor allem Leben, wenn man sich fleißigst an Konsum, Plastikflut und lukrativen Geldeinnahmen beteiligt.

Mit dickem Karren und neuesten Vans – abgesehen von Songthaew, Tuk-Tuk, Liefer- und Handwerksbetrieben sehe ich hier nahezu nur Neuwagen – werden die touristischen Gläubigen oder gläubigen Touristen bis vor den Wat-Eingang gefahren. Schnell noch ein Blumengebinde gekauft und dann dreimal vor Buddha verneigt. Die längste Zeit benötigt das Fotografieren jedes einzelnen Familienmitglieds und natürlich das Gruppenfoto. Das auf Schildern der Zutritt nach vorne fürs Fotografieren untersagt ist, interessiert hier keinen.

Erwischt?! Ich konnte mich auch nicht des Eindruckes erwehren, dass die zuvor von den Gläubigen abgelegten Blumenopfer, sehr regelmäßig von einem Novizen wieder eingesammelt und erneut verkauft werden – ganz bestimmt im Sinne der Nachhaltigkeit.

Ich glaube, weder Jesus noch Buddha hatten mit ihren Lehren je solch einen Firlefanz im Sinn.

Zum Abschluss meines Tempel-Marathons werfe ich noch einen Blick in das kleine Wat Chet Lin mit seinem heiligen Fischteich, in dem es vor gierigen Welsen nur so wimmelt. A bisserl eklig scho …

Da heute Sonntag ist, muss ich natürlich auch noch den Sunday Night Market in Chiang Mai mitnehmen. Das Angebot ist riesig, die Souvenirs aber oft zu sperrig und auch die Sarongs in warmen Winterstoffen sind nicht backpack- und strandgeeignet. Das schont meinen Geldbeutel und mein Transportgewicht.

Am Montagmorgen geht es in der Früh zur meiner Voluteering-Woche im Elephant Nature Park. Ich bin schon so gespannt!

Das ist übrigens mein Hostel am Rande der nördlichen Altstadt, zu dem ich nach dem ENP wieder zurückkommen werde:

 

 

 

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