Das ist ja mal ein Tapetenwechsel! Aus den einsamen Zelt-Camps in den wilden, grünen Nationalparks Kanchanaburis bringt mich der Bus am Freitag, den 13.01.2023, zurück in die engen Häuserschluchten und pulsierenden Straßen Bangkoks. Dieses Mal komme ich am Southern Bus Terminal an, das liegt noch auf der Thonburi-Seite, also westlich des Chao Phraya Flusses, wo ich die nächsten zwei Tage die Khlongs und die schwimmenden Märkte auf eigene Faust erkunden will. Diese zusätzliche Visite Bangkoks hatte ich ursprünglich gar nicht geplant. Aber nachdem ich mit dem geleasten Auto in Kanchanaburi viel zeitsparender von A nach B gekommen bin und mich Bangkok schon zu Beginn meiner Reise total fasziniert hat, kam mir das Zeitfenster wunderbar gelegen.
Gerne hätte ich mich in dem kleinen Familien-Guesthouse direkt am Khlong Mon eingebucht, wo ich beim ersten Besuch schon einen Kaffee getrunken und dabei ein nettes junges Pärchen auf Hochzeitsreise kennengelernt hatte. Aber meine versendete E-Mail-Anfrage versandete und das Kauderwelsch beim Live-Telefonat endete schlussendlich in der Erkenntnis, dass für die zwei gewünschten Nächte nichts frei sei. Es war gar nicht so leicht, eine gut gelegene und preiswerte Unterkunft zu bekommen, aber schließlich war ich beim Double D Bed & Café erfolgreich, das relativ gut von der MRT-Station Fai Chai zu erreichen ist.
Dachte ich zumindest: Aber auch relativ kurze Wege können in Bangkok zu Fuß ganz schön mühsam werden, insbesondere wenn man wie ich mit Sack und Pack anreist. Zum einen bringt mich die Mittagssonne ins Schwitzen, zum andern aber auch das ständige Treppauf, Treppab: Zur MRT hoch, von der MRT runter, Straßenüberführung hoch, Straßenüberführung runter und einen guten Hatscher entlang der Hauptverkehrsstraße weiter komme ich gegen 15 Uhr an – und muss über die Stiegen auch noch bis hoch in den 4. Stock zu meinem Zimmer schnaufen!




Geschafft – im doppelten Wortsinn! Jetzt erst mal duschen, ausruhen und sich dabei eine Stunde lang von der Klimaanlage runterkühlen lassen.
Dann geht es auf zu neuen Taten, schließlich gilt es, die Zeit und die schöne Abendstimmung noch zu nutzen, bevor zwischen 18 und 19 Uhr „das große Licht ausgeschaltet wird“. Für meine Verhältnisse relativ zielstrebig steuere ich den unter Reisenden und Touristen bekannten Khlong Bang Luang an und komme auf dem Weg dorthin unter anderem auch wieder am Khlong Mon vorbei, an dem ich schon in den ersten Tagen eine gute Strecke „gelustwandelt“ bin.








Tja, leider ist auch hier nicht alles lustvoll und schön anzuschauen, insbesondere in den kleinen Seitenkanälen und von Touristen unbesuchten Wasserstraßen sieht man vor lauter Müll und Unrat kein Wasser mehr. Beschämend wie der Mensch mit unserem wichtigsten und wertvollsten Gut umgeht.


Dagegen strahlt der Vorzeige-Khlong Bang Luang geradezu im warmen Licht der Abendsonne. Lange Zeit beobachte ich auf einer der kleinen Brücken über den Khlong die Longtail-Boote, die mit ihren laut knatternden Motoren Passagiere aus aller Herren Länder mal mehr oder weniger schnell durch die Wasserstraßen manövrieren.




Aber auch die heimischen Mopeds, die über die schmalen Brücken die Seiten wechseln, sind ein Schauspiel für sich. Kommt einer ums Eck, heißt es schnell Platz machen. Denn die Fahrer geben ordentlich Gas um die steile Auffahrt hochzukommen und in einem Rutsch überzusetzen.
Obacht Brückenverkehr
Khlong-Brücken-Springer
Weiter geht es zum Artist’s House, von wo man auch nochmal schöne Blicke auf die kleinen, bunten und sehr verschiedenen Häuser entlang des Khlong Bang Luang hat.





Boote die durchs Wasser pflügen








Den Rückweg habe ich mit der MRT etwas abgekürzt, musste dabei aber feststellen, dass mein Heimweg zum Guesthouse auch von der Station Charan 13 nicht weniger ermüdend ist als von der Station Chai Fai. Da fällt im Vorbeigehen mein Auge in einen Wok am Wegesrand, dessen sehr lecker und frisch aussehender Inhalt von einer adrett gekleideten „Thai-Mama“ meines Alters fachmännisch umeinandergewirbelt wird. Erst schaue ich in den Wok, dann in ihre Augen, dann wieder in den Wok und auf ihr freundliches Lippenstift-Lächeln. Spontan überfällt mich ein unbandiges Hungergefühl und eine große Lust auf genau ihre Kreation.
Auf meine pantomimisch vorgetragene Frage, ob ich bei ihr „im Lokal“ essen kann, fällt sie schier aus allen Wolken, das Lächeln wird zu einem Strahlen und schnell weist sie mir mit einer einladenden Handbewegung einen Tisch mit grünem Plastikstuhl zu. Witzig, wie manchmal zwischen Menschen in Sekundenschnelle der Funke überspringt. Sie freut sich über den Besuch einer waschechten Touristin in ihrer Garküche, deren Ambiente im Übrigen eher einer Werkstatt oder Garage ähnelt, und ich freue mich, dass mein Bauchgefühl mich so spontan hier reingeführt hat. Sie bedient mich trotz der Einfachheit der Gegebenheiten fürstlich. Neugierig schnackt sie mit einer thailändischen Stammkundin über mich und mit mir und ruft dann auch noch die Nachbarin herbei, um ihr diesen exotischen Besuch in ihrem Lokal zu zeigen. Gerne hätte sie ein Foto gemacht und ich meinerseits auch, aber irgendwie hatten wir wohl beide das Gefühl, dass es die Stimmung zwischen uns banalisiert. Einer dieser so wundervollen Momente auf Reisen.


Überglücklich schaffe ich auch noch die restlichen hundert Meter und die vier Stockwerke zu meinem Zimmer und falle müde ins Bett, nicht ohne noch aus dem Mini-Fenster meines Bades einen Abschiedsblick zur untergehenden Sonne hinter der Silhouette von Bangkok zu werfen. Gute Nacht!


Nachdem ich sehr viel Negatives über den großen schwimmenden Markt Damnoen Saduak und den Maekhlong Railway Market im Südwesten Bangkoks gelesen hatte und mir dieser Touristen-Nepp wirklich zuwider ist, mache ich mich am heutigen Samstag auf eigene Faust auf, um die vielen kleineren und gegebenenfalls authentischeren Floating Markets im Bezirk Thonburi in Augenschein zu nehmen.
Zuerst möchte ich schon in der Früh den Lat Mayom Markt ansteuern, stelle aber fest, dass es gar nicht so einfach ist, mit den Öffis in diese doch abgelegene Region zu kommen. Also latsche ich erst einmal durch die um diese Zeit noch recht ruhigen Straßen, um auf die nächst größere Ausfallstraße in die westliche Richtung zu kommen. Unterwegs quatsche ich junge Mototaxi-Fahrer an und frage nach dem Preis für die Fahrt zum Markt. Aber abgesehen davon, dass sie sehr arrogant und unsympathisch sind, stimmt auch der Preis nicht. Immer wieder halte ich Ausschau nach Taxis, Tuk-Tuks oder Mototaxis, aber irgendwie beachtet mich keiner auf meinem langen Hatscher.
Eine andere Option wäre der Bus, aber die vorbeirauschenden tragen alle andere Nummern und an den Haltestellen steht kein Mensch, der mir Auskunft geben könnte. Also nicht jammern und fluchen, weiter geht’s zu Fuß dem Tagesziel entgegen. Ich tröste mich damit, dass ich besondere Augenblicke, wie diesen des bettelnden Mönches am Khlong unter einer der vielen megahäßlichen Betonstraßenüberführungen, im Vorbeigehen geschenkt bekomme.




„So geht de Kuah scho fast …“ naja, nicht gerade zwei Stunden, aber schon ziemlich lang. Dann steht ein Moto-Taxi vor einem Imbiss und ich tippe dem Fahrer zurückhaltend auf die Schulter. Er versteht mein Anliegen nicht, aber die Köchin ist außerordentlich hilfsbereit und mit Hilfe von Google Maps (das blöderweise mal wieder alles in Englisch, anstatt in Thailändisch anzeigt) sowie Händen und Füßen können wir schließlich das Ziel und den günstigen Preis von 60 Baht fix machen. Der gute Mann trinkt noch seinen Kaffee und dann schwinge ich mich hinter ihm auf den Roller.
Meine erste Motorradfahrt in Thailand! Das ist ja per se schon spannend. Hatte ich schon erwähnt, dass in Thailand nahezu alle Motorradfahrer Maske tragen – aber äußerst selten einen Helm?! Wenn dann der Fahrer während der Fahrt auf der 4-spurigen Straße noch sein Smartphone zückt, liest und telefoniert, dann kriegt man schon leichte Schnappatmung. Aber der gute Mann bringt mich nach vielen Windungen und Turn-arounds dann doch wohlbehalten in die herrlich ländliche Gegend des Lat Mayom Marktes. Ehrlich gesagt, hatte ich nicht damit gerechnet, dass es noch so weit dahin ist. Da runde ich doch anstandshalber noch auf 100 Baht auf.
Nun aber auf ins Getümmel, wobei dieses um kurz vor 9 Uhr tatsächlich überschaubar ist. Die Einheimischen haben ihre Einkäufe schon längst erledigt und die touristischen Besucher sitzen noch beim Frühstück. Wie fast überall auf den Märkten sind die meisten Stände in offenen Hallen rund um einen Wasserkanal untergebracht. Auf dem schmalen Kanal selbst verkehren nur noch wenige der traditionellen Langboote, um tatsächlich ihre Waren anzubieten oder Essen zu verkaufen.




Das ländlich-einfache Thonburi mit seinen Wasserkanälen war übrigens – nach der Zerstörung der Königsstadt Ayutthaya durch die Birmesen – von 1768 bis 1782 Hauptstadt des siamesichen Reiches. Erst Rama I wählte Bangkok, das den offiziellen unaussprechlichen thailändischen Namen Krung Thep Maha Nakhon Amon Rattanakosin Mahinthara Yutthaya Mahadilok Phop Noppharat Ratchathani Burirom Udom Ratchaniwet Maha Sathan Amon Phiman Awatan Sathit Sakkathattiya Witsanukam Prasit trägt, 1782 zur Hauptstadt der Chakri-Dynastie und des Königsreichs Thailand. Thonburi ist also die eigentliche Wiege der Weltmetropole Bangkok!

Die Zeiten, als die Khlongs noch Hauptverkehrs- und Lebensadern Thonburis waren, sind lange vorbei. Dafür sieht es „hinter den Kulissen“ tatsächlich noch so chaotisch aus wie in früheren Zeiten – nur mit weit mehr Plastikanteilen! Immer wieder schaue ich in Thailand in Läden, Garküchen, Häuser, Höfe, Ecken und muss tatsächlich die Luft anhalten, welcher Dreck hier gehortet und gestapelt wird. Auf jeden Fall liegt Feng Shui, die Lehre der Harmonisierung des Menschen mit seiner Umwelt, für die Mehrheit der thailändischen Bevölkerung weiter weg als das Land China, aus dem die Lehre stammt.


Also widme ich mich wieder den fotogeneren Seiten der Khlongs:









Ich schlendere eine Weile durch die Stände, wechsle die Seiten und genieße einen der sensationellen Frucht-Smoothies. Meist nehme ich die Mischung Banane-Ananas-Mango – so lecker!
Als ich wieder zur Straße komme um auszuhecken, wie ich nun zum Wat Saphan Floating Market finde, fällt mein Blick auf ein noch nigelnagelneu aussehendes Schild am Straßenrand. Ich gehe näher und studiere … und welch ein unsägliches Glück, seit Anfang Dezember 2022 gibt es an Samstagen eine moderne, klimatisierte Buslinie (BMA Feeder), die ausgehend von der MRT-Station Bang Khun Non alle interessanten schwimmenden Märkte, den großen Blumenmarkt und die Southern Bus Station abfährt. Alle 20-30 Minuten kommt also ein neuer Bus und man kann völlig kostenlos mitfahren. Wie geil ist das denn?


Wie der Name schon vermuten lässt, liegt der schwimmende Markt von Wat Saphan rund um einen kleinen buddhistischen Klostertempel. Wirklich hübsch, mit wenigen Touristen und vielen kleinen, attraktiven Markständen sowie idyllisch-ländlichen – und gepflegten – Wasserstraßen rundum.








Wunderbar – bei der Weiterfahrt stelle ich fest, das die MRT-Station Bang Khun Non genau auf meiner MRT-Strecke zurück zum Guesthouse liegt. Na, da hätte ich mir die Odyssee per pedes heute Morgen ja wirklich sparen können, wobei der schicke Shuttle-Bus allerdings auch erst gegen 9 Uhr seinen Dienst aufnimmt und, wie ich von meiner thailändischen Sitznachbarin erfahre, ja erst seit Dezember im Einsatz ist. Das ist sicher auch ein Grund, warum er noch kaum von ausländischen Touristen genutzt wird.
Station Nummer 3 ist der Markt Song Khlong – wie mir der Busfahrer erklärte, eher ein unscheinbarer „Vormarkt vom Taling Chan Markt“. Und ja, ich muss ihm recht geben. Zwar ist alles adrett gestylt auf dem Song Khlong Markt mit hübschen Bamboo-Tischen, bunten Schirmen überm Kanal und sehr schönen Essensständen – aber dadurch auch schon fast wieder etwas „steril und nicht authentisch“. Obwohl sich der Song Khlong Markt um das kleine Wat Taling Chan schmiegt, trägt diesen Namen ein anderer schwimmender Markt in der Nachbarschaft, zu dem es zu Fuß nicht mehr weit ist.





Der Markt von Taling Chan ist schlussendlich der größte aller gesehenen Märkte und definitiv der mit dem meisten Trubel. Durch die Gassen eines großen Blumenmarktes kommt man in eine überdachte Markthalle mit unzähligen Essens- und Marktständen. Wie es scheint, genießen hier nicht nur Touristen, sondern auch viele thailändische Familien mit Kindern den Samstagmorgen.










Auf schwimmenden Pontons haben sich Restaurants und Freiluftküchen ideenreich eingerichtet. Links und rechts entlang der Geländer sind die mobilen DIY-Küchen verbaut und mittig stehen Tische und Stühle für die Gäste. Einige wenige köcheln und bruzzeln – noch fotogener – direkt auf ihren Booten und eines ist gewiss: Verhungern muss in Thailand niemand!
Boat Cooking Taling Chan Markt





Ab dem Taling Chan Markt kann man für günstige 100 Baht eine einstündige Longtailboot-Tourifahrt durch die Khlongs machen. Ach, das reicht mir doch gerade mal, um eine andere Perspektive der Wasserstraßen zu erhaschen. An der Schiffsanlegestelle herrscht Chaos mit viel Geschrei und Gefuchtel, dabei wäre es ein Leichtes mit einfachen Pappschildern das Boarding für die diversen Routen und Boote zu organisieren. Wir haben sogar eine Tourleiterin an Bord, die ich allerdings schon kurze Zeit später verfluche, kreischt sie doch mit furchtbar nerviger Stimme in ihr Megafon, dass einem schier das Trommelfell platzt. Dazu der dröhnende Motor und das Stimmengewirr der Fahrgäste – da habe ich nach 5 Minuten Gruppentour schon die Nase voll. Ich „verabschiede mich“ indem ich mir die Ohropax einstecke und genieße so relativ geräuschgedämpft die weitere Fahrt. Die Eindrücke der wassernahen Bebauung sind vielseitig und faszinierend, durch die meist rasante Fortbewegung aber auch leider nur von kurzer Dauer und ich freue mich, so viele Kilometer zu Fuß und in Muse abgelaufen zu haben.
Impressionen der spritzigen Khlong-Tour I
Impressionen der spritzigen Khlong-Tour II














Dank des komfortablen Floating Market Shuttle-Services steige ich zu guter Letzt noch einmal am Lat Mayom aus, wo ich meinen 6-stündigen Markttag begonnen hatte, bevor ich die zweite Rundtour an der MRT Station Bang Khun Non beende, um zum Double D Bed & Café zurückzukehren.