Der optimistische Vorsatz war, am Dienstagmorgen schon um 7.30 Uhr mit unserem Toyota in Entebbe zu starten, denn der massive Verkehr mit endlosen Staus in und um Kampala ist berüchtigt. Zum einen erfahren wir bei Gesprächen vor Ort, dass der „morgendliche Berufsverkehr“ erst zu späterer Stunde so gegen 9 oder 10 Uhr tatsächlich seinem Ruf Ehre macht, weshalb wir es schon mal beim Packen und Frühstücken im Precious Guesthouse gemächlicher angehen lassen. Zum anderen ärgert uns unser gemieteter WiFi-Router, der zwar bunt blinkt, aber keine Internetverbindung herstellt. Seltsam, und das in Kampala – wir sind ja noch nicht einmal im Outback.
Gut, dass Matthias schon daheim sowohl von GoogleMaps als auch von maps.me die Offline-Karten downgeloadet und die voraussichtlichen Wegpunkte unserer Self-Drive-Reise markiert hat. Und Richtung Nordwesten zum Ziwa Rhino Sanctuary und dem nächsten Ziel, dem Murchison Falls National Park, sollten die Straßen noch geteert und einigermaßen in Schuss sein.
In Erwartung des absoluten Verkehrschaos überlasse ich Matthias gerne das Steuer und so geht es um 8.30 Uhr endlich los. Die mehrspurigen Straßen in Entebbe sind, wenn man Großstadtverkehr gewohnt ist, noch relativ überschaubar, was sich aber schnell ändert, sobald man in das weitläufige Stadtgebiet von Kampala einfährt. Unsere größte Aufmerksamkeit gilt hier dem ungewohnten Linksverkehr, den unzähligen Verkehrsteilnehmern auf zwei und vier Rädern, den locker gehandhabten Spuren- und Vorfahrtsregeln und – für den Beifahrer mit Schnappatmung verbunden – den immens unstrukturierten Fahrbahnrändern mit metertiefen, ungesicherten Gräben, Schlaglöchern, wuseligen Fußgängern, Radfahrern und sonstigen Hindernissen, die man möglichst kontaktlos passieren sollte.








Erste Fahrt auf Ugandas Straßen
Über den Gulu-Express-Highway, für den man eine geringe Gebühr zahlt, lassen wir die Großstadt schließlich hinter uns und siehe da: die „Autobahn“ ist nahezu leer gefegt! Mit nur dieser einmaligen „Erfahrung“ können wir nicht sagen, ob das wegen der Maut immer so ist oder ob die vielen Militärkontrollen und die nahezu verwaiste Fahrbahn in Zusammenhang mit den aktuell hier stattfindenden NAM / G77+China Summits und der Anwesenheit von Delegierten und Staatsoberhäuptern aus 120 Ländern stehen.
Mit jedem Kilometer werden Natur, Dörfer und Städtchen entlang der Straße ländlicher und einsamer. Trotzdem ist in jeder Ansiedlung höchste Vorsicht geboten, denn die Menschen leben im wahrsten Sinne des Wortes „auf“ der Straße bzw. direkt links und rechts davon. Der Seitenstreifen der Fahrbahn ist in Uganda immer den Bodas, Radfahrern und den unzähligen Fußgängern vorbehalten: Frauen, die ihre Einkäufe auf dem Kopf balancieren und gleichzeitig Babys huckepack tragen, Männer, die mit ihren Motorrädern (Bodas) Fahrdienste anbieten, Kinder, die mit gelben Kanistern Wasser holen und auch Greise, die ihre riesige Ladung an Zuckerrohr, Ananas oder Bananen auf alten, klapprigen Fahrrädern zum Markt manövrieren.







Und eines lernen wir gleich am ersten Tag: Alles, was man in Uganda sieht und erlebt, ist oft „ein-malig“. Über eine lange Strecke wird die Straße gesäumt von zahllosen Ständen, die unter Bergen von Ananas verschwinden. Diese werden – wirklich überaus geschickt – für den Transport zuhauf auf Motorräder und Fahrräder verladen. An unserem ersten Fahrtag verzichten wir auf einen Foto- und Einkaufsstopp, in der Annahme, dass uns dieser Anblick sicher noch die nächsten Tage begleiten wird. Doch weit gefehlt!! Die Ananas wird in diesen Stückzahlen nur in der Region angeboten, in der auch die Plantagen sind – also super regional. Das verhält sich genauso mit anderen Lebensmitteln und Gütern: Kilometerweit fahren wir an Ständen mit kunstvoll gehäuften Süßkartoffeln vorbei, die dann übergehen in Kilometer mit Holzkohle im Sack, worauf eventuell die heimische Mango in Massen angeboten wird oder 30 Stände hintereinander versuchen, ihren „fangfrischen“ Victoria-Barsch an den Mann zu bringen.
So fahren wir also unwissend ohne frische Ananas weiter unserem Ziel, dem Ziwa Rhino Sanctuary, entgegen, das wir nach ca. 4 Stunden und einem Fahrerwechsel um die Mittagszeit erreichen.
Zum ersten Mal durchlaufen wir die papierlastige und verwaltungsaufwändige Registrierung an einem Entrance Gate. Wir bekommen ein Willkommensgetränk und verewigen uns in den schweren Journalbüchern mit allem, was dazu gehört: Name, Vorname, Geschlecht, Geburtsdatum, Nationalität, Passnummer, Autokennzeichen, Ankunft, Abreise und, und, und. In der Eintrittsgebühr von 50 $ pro Person ist das 2-stündige Rhino Tracking schon inklusive und mittlerweile kann man in Uganda alle Eintrittsgelder zu den Nationalparks bequem per VISA-Karte bezahlen.
Auf sattroter, sandiger Piste geht es noch weitere 4,5 km in den Park zu unserem Campingplatz bei der Ziwa Rhino Lodge. Schon unterwegs sehen wir Vervet Monkeys (Grünmeerkatzen), Bush- und Waterbucks, Warthogs (Pumpas) und Kingfisher (Eisvögel).
Klar, dass auch hier nochmal ein großes Buch zum Registrieren ausliegt, bevor wir uns auf dem mit schweren Eisenstangen eingezäunten Campground einen Platz aussuchen dürfen. Ja, wunderbar! Das gefällt uns doch schon mal ganz gut hier! Es gibt ein Spülhaus mit Ladestationen für die Geräte und ein Waschhaus mit 1A-Toiletten und Duschen. Im Moment teilen wir uns den Platz lediglich mit der Warzenschwein-Familie und den wie immer lautstarken Ibissen.
Unser erstes Set-up steht. Das 3-Manns-Zelt hat seine besten Zeiten schon lange hinter sich. Der Stoff ist ziemlich marode, mit einigen Flickstellen und defektem Reißverschluss … Aber die Größe ist ideal für unsere zwei Mammut-Matratzen und uns. Matthias kommt auf die glorreiche Idee, angesichts der warmen Temperaturen doch erst einmal auf den Regenschutz zu verzichten und die Nacht sozusagen unterm Sternenhimmel zu verbringen. Das Zelt hat trotz aller Malässen rundum riesige Moskitonetz-Fenster, die auch noch ziemlich undurchdringlich ausschauen. Wir werden es sehen – oder spüren.



Bevor wir zum Rhino Tracking gehen, bleibt noch ausreichend Zeit, unser Koch-Equipment gebührend einzuweihen. Natürlich mit dem Allerweltsgericht Spaghetti mit Tomatensoße – das gelingt doch immer. Und so ist es auch. Alle Gerätschaften funktionieren und werden erfolgreich ihrem Zweck zugeführt. Wir freuen uns über unsere mitgebrachten Hilfsmittel wie Messer, Schneidbretter und Tupperware und die gekauften Accessoires wie Mülleimer und Spüleimer. Wie sich am Ende unserer Reise herausstellt, werden Reis und Klopapier die einzigen Utensilien sein, die wir nicht extra gebraucht hätten, da sie ausreichend und überall vorhanden sind.




Bei wunderbaren Lichtverhältnissen starten wir um 16 Uhr zu unserem RhinoTracking. Dass dieser besondere Nature Walk in Uganda überhaupt möglich ist, verdanken wir der privaten Ziwa Rhino and Wildlife Ranch, die das 70 km² große Gelände zur Verfügung stellt, der NGO Rhino Fund Uganda und der Uganda Wildlife Authority. Denn schon seit Anfang der 80er Jahre gelten Nashörner – sowohl das Breitmaul- (white) als auch das Spitzmaul- (black) Nashorn – in ganz Uganda als ausgestorben. Ausgerottet durch Jagd und Wilderei, insbesondere während der Diktatur des Gewaltherrschers Idi Amin, und weil Mitmenschen in Asien und China dem wahnsinnigen Irrglauben anhängen, das Horn hätte in geriebener Form eine heilende und/oder potenzsteigernde Wirkung. Dabei besteht es nachweislich aus der gleichen Substanz wie unsere Fingernägel. Sollen die doch Fingernägel kauen! Leider fallen diesem Irrsinn auch heute noch Großwild und Tiere zum Opfer, wie z.B. das seltene Gürteltier (Pangolin).
2005 wurden die ersten vier White Rhinos aus Kenia im Sanctuary aufgenommen, später kamen noch zwei Tiere aus USA dazu und im Jahr 2009 wurde das erste Breitmaul-Nashorn auf ugandischem Boden geboren. Die Erfolgsgeschichte ging weiter und heute beherbergt das Ziwa Rhino Sanctuary 45 Rhinozerosse, die in diesem großen Areal Tag und Nacht von Rangern bewacht werden, wobei jeder Ranger einer Familie (meist Mutter mit Kind) zugeteilt ist.
Wir haben Glück und die Rhinos sind relativ nahe zu unserem Campground. Wir müssen lediglich ein kleines Stück mit dem 4×4 fahren, dann geht’s mit unserem Guide Jackson zu Fuß weiter. Die Landschaft ist wunderschön im goldenen Sonnenlicht. Nach Spurensuche, Fährtenlesen und der akustischen Verständigung mit den Rangern treffen wir schließlich auf einige Tiere im hohen Gras.






Im Hintergrund pirschen wir uns ran, immer in respektvollem Abstand zu den gewaltigen Tieren, die grasend durchs Dickicht streifen und dabei trotz Gemütlichkeit ein gewaltiges Tempo zulegen. Wir treffen bis zu sieben Nashörner an, darunter auch Youngsters. Jackson sucht immer nach den besten Spots, erklärt uns Einiges zum Verhalten und zur Fortpflanzung und gibt bereitwillig Antwort auf jede gestellte Frage.











Nach diesen wundervollen Eindrücken kehren wir nahe unserem Camp in eine etwas andere Art von Biergarten ein, um unser erstes NILE-Bier zu kosten. Mit Wildlife im Blick genießen wir die besondere Stimmung so nah an der Natur, lachen über die Meerkatzen-Eltern, die sich von ihrem Baby foppen lassen, beobachten die lustigen Wiedehopfe beim Rasenvertikutieren und den unruhigen, blau-schimmernden Starling, der immer in Eile zu sein scheint.






Als sich das Restaurant füllt wechseln wir zum ruhigen Campingplatz und wollen nach einer erfrischenden Dusche den Abend gemütlich ausklingen lassen. Es ist schon eine Weile dunkel, als ich über den Tisch hinweg hinter unserem Zelt einen riesigen Schatten entdecke. Es ist nicht zu fassen: Da stehen zwei schwere Rhinos direkt hinter unserem Schutzzaun. Sie bewegen sich völlig geräuschlos, nur das Mampfen und das Scheuern des Horns an den dicken Eisenstangen verrät sie. Was für ein Erlebnis!
Aufgeregt, aber auch völlig beseelt kriechen wir in unser Open-Air-Zelt und schlafen wie im siebten Himmel, jedoch nicht ohne ab und zu neugierig die Umgebung durch die Moskitonetze nach tierischen Nachbarn abzusuchen. Ach, eine Herde der hübschen Ankole-Rinder hat es sich nebenan auf der Wiese gemütlich gemacht und Matthias entdeckt um 5 Uhr beim Gang zur Toilette doch tatsächlich noch eine Nashorn-Mama mit Kind, die auf der anderen Zaunseite „ihr Camp“ aufgeschlagen hat. Welche Kolosse und Kraftpakete! Und geräuschvoll Pupsen müssen sie auch.
Nachdem es so nah am Äquator um 19 Uhr ziemlich schnell ziemlich dunkel wird, ist für uns meist schon um 21-22 Uhr Feierabend. Das heißt, eigentlich sind wir – oder zumindest ich – zwischen 5-6 Uhr morgens ausgeschlafen und fit. Da es allerdings auch erst um 7 Uhr in der Früh wieder hell wird, steppt zu dieser Morgenstunde noch nicht der Bär – und die Vögel zwitschern auch noch nicht. So bleibt mir nur, den ausklingenden Nachtgeräuschen zu lauschen oder Tagebuch zu schreiben.
Denn dafür bleibt tagsüber nun wirklich keine Zeit. Zwar starten wir am nächsten Tag recht gemütlich zu unserer Weiterfahrt, werden aber auch schon gleich wieder von einigen Rhinos in den Bann gezogen und aufgehalten, die zu früher Morgenstunde ganz gemächlich in Sichtweite „um die Häuser streifen“.