HIGHWAY INS WILDE PARADIES AM NIL

Vom Ziwa Rhino Sanctuary geht es für uns weiter zum Murchison Falls National Park. Erst 75 km über Masindi zum Kichu(m)banyobo Entrance Gate und von dort noch einmal rund 70 km zum Red Chilli Rest Camp, wo wir uns für drei Nächte auf dem Campingplatz eingebucht haben.

Insgesamt rechnen wir mit einer Fahrzeit von 4-5 Stunden. Wir haben somit ausreichend Gelegenheit, uns mit unserem Allrad, seinen Abmessungen, der schwergängigen Lenkung und dem wuseligen Linksverkehr in Uganda auseinanderzusetzen und vertraut zu machen. Übung macht den Meister!

Auf gut ausgebauten Straßen erreichen wir Masindi, wo wir eigentlich eine „größere Stadt“ erwartet hatten. Aber Masindi ist für afrikanische Verhältnisse relativ schick – und zudem überschaubar. Am MTN-Store treffen wir auf einen Kurier unseres Autoverleihers, der uns einen zweiten WiFi-Router als Back-up bringt. Witzigerweise funktioniert unser Gerät seit heute Morgen.

In dem Wissen, dass in Masindi die letzte Tankoption für die kommenden drei Tagen ist, füllen wir an einer Shell unseren Benzinvorrat auf. Überraschenderweise passen erneut 45 Liter in den 90-l-Tank, obwohl unsere Tankuhr lediglich 1/3 Verbrauch anzeigt. Interessant! Der Tank- und Fensterputzservice gehört übrigens in Uganda immer dazu und bezahlt wird vorzugsweise in bar. Da wechseln dann doch schon ein paar 50.000er Lappen den Besitzer.

Eigentlich wollten wir hier auch noch einen Supermarkt anfahren, aber etwas überrumpelt hört die Stadt dann auch schon gleich wieder auf. Optimistisch, dass wir auf dem weiteren Weg noch an kleinen Marktständen für Ananas, Gurken, Tomaten und Wasser vorbeikommen, verlassen wir die Stadt sozusagen auf dem kürzesten Weg und … finden uns recht bald auf einer roten Staubpiste wieder.

Landschaftlich ist das hier wunderbar, die Einheimischen schauen überrascht, Kinder winken uns freudig zu und die Ankole-Herde macht uns bereitwillig Platz zum Passieren. Das kann man von dem LKW, der urplötzlich auf dieser buckeligen Einbahnstraße den Weg versperrt, nicht sagen. Ja, wie jetzt?!? Zuerst vermuten wir, dass der Laster zu dem Trupp Waldarbeiter gehört, die linkerhand schuften. Freundlichst verständigen wir uns mit Englisch, Händen und Gesten und erfahren, dass dieses Gefährt wohl schon seit Monaten den Weg blockiert und wir leider wieder zurückfahren müssen.

Gut, dass Matthias das Steuer in Masindi übernommen hat, denn meine Rückfahrtalente über die Außenspiegel sind wahrhaftig noch ausbaufähig. Und auch gut, dass wir nur 1-2 Kilometer zurücksetzen müssen, um über die Umfahrung des kleinen Airfields dann doch auf die offizielle Teerstraße zum MFNP zu kommen. Das war also unser erster Lerninhalt zum Thema Self-Drive in Uganda: Hinter jedem Hügel kann ein unpassierbares Hindernis lauern. Ein sicherer Rückzug sollte jederzeit möglich sein.

Nun sind wir also auf der Zielgeraden, können aber auch hier an der „Hauptverkehrsstraße“ keine Stände und Shops für Frisches auftun. Dann müssen unsere Ananas-Gelüste wohl noch warten und wir mit den Einkäufen aus Entebbe erst einmal auskommen.

Nach 2,5 Stunden Fahrzeit stehen wir am Kichu(m)banyobo Entrance Gate – noch vorm alten, kleinen Office-Schalter. Das neu gebaute, riesige Gate ist – abgesehen von den Toiletten – noch nicht betriebsbereit. Das Procedere der Registrierung nimmt gehörig Zeit in Anspruch. Hat man am Schalter alle Nummern und Angaben zu seiner Person hinterlassen und die Eintrittsgelder bezahlt (45 $/24 h/pP + 11 $ fürs Auto), werden auch hier alle Eckdaten akribisch handschriftlich in dicke Journalbücher eingetragen. Für die Statistik, lautet die Antwort, auf unsere neugierige Rückfrage.

Wir werden explizit auf die Geschwindigkeitsbegrenzung von 40 km/h im Park hingewiesen und darauf, dass wir nach 3 x 24 Stunden pünktlich wieder um 13 Uhr den Park durch eines der Gates verlassen müssen. Sowohl die Reisepässe als auch die Entrance-Papiere muss man IMMER bei sich tragen und bei diversen Kontrollen innerhalb des Parks mehrfach vorweisen.

Bevor wir zum Red Chilli Rest Camp fahren, machen wir noch einen Abstecher zum „Top of the Falls“. Noch einmal müssen wir Geld berappen und wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass die Einnahmen weniger dem Schutz von Natur und Tieren als dem Straßenbau im Park zugute kommen (siehe dazu auch unten angehängte Artikel).

Doch die Investition lohnt sich auf jeden Fall. Auch wenn wir beiden nicht so sehr die Wasserfall-Enthusiasten sind, so sind wir doch ziemlich geplättet, als wir dem Spektakel näher kommen. Von Osten rauscht der Victoria Nile, wie der Name schon sagt entspringend aus dem Lake Victoria, mit brachialer Gewalt und krassen Stromschnellen heran, um sich an dieser Stelle im MFNP durch einen nur 7 m breiten Felsspalt 42 m in die Tiefe zu stürzen. Der Waschmaschineneffekt im höchsten Schleudergang ist zu hören, zu sehen und vor allem auch zu spüren. Innerhalb kürzester Zeit werden wir an den Aussichtspunkten pudelnass.

Beeindruckende Wassermassen

Wir sind schwer beeindruckt und steigen nun doch noch den Wanderpfad zum Baker’s View hinauf, um von oben auch einen Blick auf den neueren Felsdurchbruch der Uhuru Falls weiter links zu bekommen. Der weitgespannte Regenbogen in der Gischt ist natürlich noch eine ganz besondere Augenweide.

Murchison Falls Waschmaschine

Murchison und Uhuru Falls

Zurück am Parkplatz startet dann erst einmal unser Vehikel nicht. Oha, Batterie leer?! Ein paar Versuche und träge springt der Motor an. Das ist jetzt ein weniger gutes Omen für die bevorstehenden Safari-Fahrten. Schließlich wollen wir ungern einsam im Nirgendwo stranden.

Das Red Chilli Rest Camp, nach meiner Interpretation der Landkarten eher direkt am Ufer des Victoria-Nils vermutet, liegt in Wirklichkeit doch noch 1,5 km weit davon entfernt und zwar auf einer Anhöhe. Kaum zu glauben, dass sie uns hier nicht nur vor den frechen Pavianen sondern auch vor den immer wieder nächtends hier grasenden Nilpferden warnen. Also bitte, rundum ist undurchdringlicher Busch, wir sind ewig vom Ufer entfernt und zum Camp geht es recht steil bergauf … wie soll da bitte ein Flusspferd hinkommen, außer es hätte sich verlaufen?!

Camingplatz, Cabins und das Restaurant des Red Chilli Rest Camps sind richtig gut besucht. Über die drei Tage ist ein ständiges Kommen und Gehen von kleinen und großen Reisegruppen, Dachzeltcampern und auch einheimischen Gästen. Wir haben es uns wieder am Rande des Geschehens gemütlich gemacht und können großzügig Zelt, Auto und Bestuhlung aufbauen. Das alles für gerade mal 8 $ pP. Während sich die meisten im Restaurant bedienen lassen, schmeißen wir unseren Gaskocher an. Heute stehen Kartoffeln und Kürbis auf dem Speiseplan – kretzschmarsche Portionen und dank meiner von zuhause mitgebrachten Gewürzbar super lecker abgeschmeckt.


Um 4 Uhr weckt uns ein leichter Regen aus dem Schlaf in unserem Roofless-Tent. Also, schnell raus und doch lieber die Zeltplane drüberwerfen. Matthias schaut ungläubig dem Taschenlampenlicht hinterher: Hey, da steht ein Nilpferd! Tatsächlich nur wenige Meter hinterm Auto grast es seelenruhig unsere Campingwiese ab. Es bleibt nicht die einzige Begegnung mit den Speckbären. Am Morgen läuft Matthias fast in eines rein, als er aus dem Waschraum kommt. Wir lernen: Nilpferde verbringen den ganzen Tag im kühlen Wasser, kommen aber nachts an Land zum Grasen und Fressen und legen dabei mehrere Kilometer zurück – selbst in unwegsamem und steilem Gelände. Wer hätte das gedacht?!

Für den Morgen haben wir um 7 Uhr eine Bootsfahrt auf dem Victoria Nile zum Nildelta im Lake Albert gebucht. Das bedeutet, wir müssen uns in der Dunkelheit startklar machen und unser Frühstück mitnehmen. Wir versuchen erst gar nicht unser Auto zu starten, sondern gehen gleich zu Fuß bis zum Pier von Wild Frontiers am Nilufer nahe der neuen Paraa-Brücke, die in den nördlichen, tierreicheren Teil des Nationalparks führt. Bis 2021 nutzten alle Tourist Vans, Game-Drive-Jeeps und die Einheimischen eine Fähre zum Übersetzen, was natürlich sehr viel Wartezeit mit sich brachte.

Es ist relativ diesig und im Fahrtwind feucht-kühl, als wir mit dem Boot ablegen. Scharfe Aufnahmen bei diffusem Licht und auf bewegtem Untergrund sind eine Herausforderung, aber wir geben unser Bestes. Außer uns sind nur noch Ilona und Higgins aus der Nähe von Nürnberg als Gäste an Bord.

Der Grauhals-Kronenkranich (grey crowned crane) ist nicht nur schön anzuschauen, sondern auch das Wappentier auf der schwarz-gelb-roten Flagge Ugandas. Okay, unsere beiden Fotomodelle hier sehen mit ihrem nassen Gefieder noch ziemlich zerzaust aus.

Bathing hippos

Unsere Reise geht bis in den oberen Teil des Albertsees, wo wir den nicht erlaubten Fangmethoden der Fischer zuschauen. Auf dem Rückweg haben wir dann das Glück, einen Elefantenbullen am Ufer zu entdecken.

Die heiße Mittagszeit nutzen wir, um unser Abendessen vorzukochen. Leider muckt die Batterie des Toyotas immer noch. Während ich koche, dreht Matthias einige Runden zum Aufladen. Feststeht, dass wir bei unserem Game-Drive auf keinen Fall den Motor ausstellen werden. Das ist uns dann doch zu gewagt.

Um 14 Uhr starten wir dann zu unserem ersten eigenen Game-Drive über den südlichen Buligi-Circuit des Murchison Falls National Parks, wo es die größten Chancen auf Tierbeobachtungen gibt. Und was sollen wir sagen: Sensationell! Wir sind antizyklisch und deshalb praktisch alleine unterwegs. Das Fahren habe ich übernommen, da Matthias einfach ein viel besserer Tier-Spotter ist. Mit Rundumblick aus unserem Pop-Up-Dach dirigiert er mich über uneinsichtige Wegverzweigungen, schaut auf maps.me und Co, dass wir uns nicht völlig verfahren und entdeckt ganz nebenbei auch noch jedwedes Lebewesen in nächster und entfernterer Umgebung mit seinen kontaktlinsenunterstützten Adleraugen. Es ist ein Geschenk, dass er diese Reise mit mir teilt!

Game Drive Rundumblick

Game Drive Sackgasse

Die Nachmittagssonne und die Landschaft sind per se schon atemberaubend. Und dann werden diese Ausblicke auch noch von der spektakulären Tierwelt Afrikas gekrönt.

Allen voran viele Antilopenarten, wie die kleinen Duiker und die Ugandan Kobs.

Besonders lustig sind die Hornbill-Vögel, die unser Auto – wie in den Disney-Filmen – immer wieder begleiten und uns nicht minder aufmerksam beobachten wie wir sie.

Von einem entgegenkommenden Jeep bekommen wir den Tipp, dass eine Löwin in einem Gebüsch direkt neben dem Track versteckt ist. Unglaublich, nahezu unsichtbar, obwohl wir wirklich direkt davor stehen.

Mir macht das Offroad-Fahren wahnsinnigen Spaß, auch wenn wir uns in den engen Passagen schon die ersten satten Lackkratzer von den widerspenstigen Akazien links und recht einfangen haben. Es gibt zwar Pläne der fahrbaren Tracks zu kaufen oder downzuloaden, aber wir stellen sehr schnell fest, dass meist keine Kartenansicht 1:1 mit der Realität zusammenpasst, geschweige denn die Circuits im Park beschildert sind.

Am nächsten Tag wollen wir uns dem nördlichen Teil der Halbinsel zwischen Victoria- und Albert-Nile widmen und starten wieder früh um 7 Uhr. Die Landschaft hier ist viel buschiger und undurchdringlicher. Den meisten Spaß haben wir mit den aufgescheuchten Hühnern, die zwar Reißaus nehmen, dabei aber eeeeewwwiiiig aufgeregt auf der Fahrbahn rumtippeln, bevor ihnen wohl doch die Puste ausgeht und sie im Gebüsch verschwinden. Nach dem buschigen Gelände führt der Weg weiter durch Wiesen und über Sandbänke, immer wieder müssen wir umkehren und bessere Alternativen suchen.

Ugandan Roadrunners

Die Pirsch im nördlichen Teil der Peninsula ist weit weniger erfolgreich, sodass wir zum Ende hin wieder in den südlichen, offenen Teil wechseln. Eine weise Entscheidung. Prompt werden wir mit Herden von Wasserbüffeln, Kob-Antilopen, Giraffen und Elefanten belohnt. Den Leoparden treffen wir auf seinem Lieblingsbaum am Delta Point allerdings nicht an.

Schaut immer etwas engstirnig: die Jackson Kuhantilope

Große Familie im Anmarsch

Für nachmittags hatten wir nun doch noch die Bootsfahrt in die andere Richtung zum „Bottom of the Falls“ ins Auge gefasst. Die Dame von Wild Frontiers hatte uns erklärt, wir sollten einfach um 13.40 Uhr an der Bootsanlegestelle sein, eine Reservierung wäre vorher nicht nötig. Oha, als wir wegen Matthias Rumtrödelei verspätet um 10 vor 2 einlaufen, ist das riesige Touriboot schon fast voll beladen und es stehen noch einige Fahrgäste rum. So hatten wir uns das nicht vorgestellt, dachten wir doch, die Tour zu den Wasserfällen fände auch in kleinen Booten statt. Wir schauen etwas ratlos und enttäuscht aus der Wäsche, doch wir wären nicht in Afrika, wenn da nicht doch noch etwas ginge. Wir müssen zwar noch etwas warten, aber dann kommt Isaac und nimmt uns mit auf eine traumhafte Private Tour. Ja, so ein Glück! Die Letzten werden die Ersten sein.

Isaac fährt uns ganz nah ran, an die Nilpferde im Wasserhyazinthen-Pool, die Krokodile beim Sonnenbad und und an die Wasserfälle. Er erklärt und erzählt in einer so lockeren, lustigen und begeisterten Weise, dass Matthias und mir das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht geht.

Mahlzeit!

Nach diesen zwei erlebnisreichen Tagen gönnen wir uns das letzte Abendessen und unser abendliches NILE im Restaurant des Red Chilli Rest Camps. Morgen heißt es früh aufstehen, in der Dunkelheit Zelt abbauen und zsampacken für die 1-2 stündige Fahrt zur Budongo Forest Lodge, wo unser Chimp Tracking um 8 Uhr startet.

Aber Matthias und ich sind ein super Team, jeder Handgriff sitzt – still und reibungslos. Selbst das Auto springt gleich an. Über dieselbe Teerstraße, die wir in den MFNP gekommen sind, fahren wir zurück. Die Budongo Forest Lodge liegt nur wenige Kilometer vor dem Kichu(m)banyobo Gate, aber noch innerhalb des Parks.

Unser Guide beim Schimpansen-Tracking ist Godfrey und er ist wirklich sehr bemüht, uns ein spannendes Zusammentreffen mit unseren nächsten Verwandten zu ermöglichen. Ganze vier Stunden wandern, stapfen, kraxeln und kriechen wir durch Wald und Gestrüpp, um schlussendlich nur drei einzelne Schimpansen, jeweils hoch oben in den Baumspitzen, zu sehen. Schade, aber so ist die Natur: Heute so, morgen so.

Nun wird es aber Zeit, dass wir zum Ausgangstor kommen, nicht, dass wir noch unsere 3×24-Stunden-Permits überziehen. Kurz vor 13 Uhr verlassen wir den Park in Richtung Masindi.

* Verursacher der großzügigen, modernen Verkehrsinfrastruktur rund um den Murchison Falls Nationalpark ist der französische TOTAL-Konzern in Kooperation mit der Regierung von Uganda, die – trotz aller Umweltbedenken und der Zerstörung der teils endemischen Biodiversität im Nationalpark – entschieden haben, das riesige Ölvorkommen am nördlichen Lake Albert und innerhalb des Nationalparks – auf recht kolonialistische Art und Weise – auszuschlachten. Abgesehen von der Zerstörung eines großen Teils des Nationalparks im Fördergebiet wird zudem eine sage und schreibe 1.444 km lange Pipeline durch Uganda, um den südlichen Victoriasee und durch ganz Tansania bis zur Hafenstadt Tanga am Indischen Ozean verlegt, in der das zähflüssige Öl durchgehend auf 50°C erhitzt werden muss, um überhaupt transportiert werden zu können.

Wer sich mehr dazu belesen will, findet Hintergründe etc. zum Beispiel in diesen beiden Artikeln:

https://www.boell.de/de/2022/09/19/oel-pipeline-eacop-uganda-tansania-und-total-energies-wollen-umstrittenes-mega-projekt

https://interaktiv.tagesspiegel.de/lab/oelfoerderung-im-nationalpark-was-totals-plaene-fuer-die-menschen-in-uganda-bedeuten

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