Nach drei erlebnisreichen Tagen im Murchison Falls National Park steuern wir in Masindi zuerst wieder die Shell Tankstelle an. Für 342.000 UGX (88 $) laufen 64 Liter in unseren Tank. Ach ja, unser linker, hinterer Reifen ist etwas schlapp und bräuchte Luft. Der Servicemitarbeiter ist von der ganz schnellen Sorte, diagnostiziert in Windeseile ein kleines Mini-Loch, das er Matthias auch sogleich mittels Wasserblubbern vorführt. Zack-zack, schon ist das Werkzeug zur Hand, er stößt damit brachial in den Reifen – Pfffffft … Oh mein Gott, ja, jetzt haben wir ein ansehnliches Loch!
Doch beim Rausziehen des Werkzeugs schließt der damit eingefädelte Gummifetzen das Loch einwandfrei ab. Noch ein paar Schönheitskorrekturen und wenige Shilling als Bezahlung, schon geht es wieder auf die Piste.


Wir fahren weiter in die Innenstadt, wo sich der von GoogleMaps als „Supermarkt“ ausgewiesene Spot als „lokaler Markt“ erweist. Die Shop-Auswahl rundum ist relativ begrenzt. Wir schauen hier hin und da hin und können nach und nach alle Artikel unserer Einkaufsliste abhaken.





Den lokalen Markt müssen wir natürlich auch besuchen. Die Auslagen sind sehr spannend und die (Einkaufs-)Gespräche sehr lustig. Vermutlich lachen sich die Damen schlapp, weil sie uns so viel Geld für Obst und Gemüse aus der Tasche ziehen. Man kauft in Uganda nicht nach Anzahl oder Kilogramm, sondern immer nach einem Geldbetrag: also Tomaten und Paprika für 500 UGX, Bananen für 1000 UGX usw.











Inzwischen ist es nun doch schon 15 Uhr, jetzt aber hurtig los! Wir haben heute eine wirklich lange Fahrt vor uns und sind durch das Chimp Tracking und den Einkauf hier schon super spät dran. Auf gut ausgebauter Asphaltstraße geht es 280 km nach Süden – über Hoima, das sich größer als Masindi erweist, Kabwoya, Kisweka, Kyenjojo und viele, viele noch kleinere Orte unserem Tagesziel Fort Portal entgegen. Einzig die Temposchwellen in jedem Ort und vor jedem Kreisel sind eine einzige Prüfung. Am Ortsbeginn warnt eine erste sanfte Welle, dann zwei Wellen hintereinander, gefolgt von – richtig – drei und vier Wellen und das gleiche Spiel am Ortausgang wieder in umgekehrter Reihenfolge. Größe oder „längere“ Ortschaften erfreuen innerorts zusätzlich mit weiteren Schwellen an markanten Stellen.
Dafür gibt es aber links und rechts der Straße das „real Ugandan life“ zu sehen. Spannend, anders, oft schmutzig, armseelig, dann aber auch wieder bunt und voller Lebensfreude. Die strömt insbesondere an den Sonntagen aus allen Kirchen und Gemeindeunterkünften in Form von Musik, Gesängen und farbenfroh gekleideten Menschen. Attraktive Frauen in aufwändigen, selbst genähten Kleidern (Frauen und Mädchen tragen übrigens IMMER Rock oder Kleid), Kinder im „Prinzessinnengewand“, die Herren im Anzug oder mit strahlend weißem Oberhemd. Angesichts des Staubes, Schmutzes und der beengten, einfachsten Wohnverhältnisse in Einraumwohnungen und Lehmhütten ist es für uns gar nicht nachvollziehbar, wie man derart adrett gestylt und stolz erhobenen Hauptes zur gemeinsamen Messe schreiten kann. Beeindruckend!
Doch uns bleibt keine Zeit fürs Fotoshooting, wir müssen auf die Tube drücken.


Irgendwann ist trotzdem abzusehen, dass wir es nicht vor 20.30 Uhr ins Kalitusi Nature Resort & Campsite schaffen werden. Jedoch gibt es unterwegs einfach keine Alternative zum Übernachten mit Zelt. Also rufen wir vorsorglich im Kalitusi an und machen unser Booking und ein Abendessen klar, mit der Info, dass wir recht spät ankommen werden.
Was wir partout vermeiden wollten, tritt also ein: Eine nächtliche Fahrt auf Ugandas Straßen. Und was soll ich sagen: Es ist der planke Horror! Ich bin hart im Nehmen, Matthias als Mann sowieso … aber was einen auf den unbeleuchteten Straßen nächtens erwartet, ist wirklich nah an der Nahtoderfahrung. Matthias am Steuer gibt sein Bestes, hochkonzentriert. Doch was hilft’s, wenn man durch die grellen Fernlichter der Laster geblendet wird, Autos völlig ohne Beleuchtung am Verkehr teilnehmen, das vermeintliche Motorrad sich dann doch als KFZ mit nur einem funktionierenden Licht herausstellt oder das Motorrad eine zwei Meter breite, ungesicherte Ladung im Querformat gesattelt hat. Zweimal fahren wir sozusagen „sehenden Auges“ frontal auf die Lichter entgegenkommender Fahrzeuge zu.
Spannungsgeladene Nervosität liegt in der Luft und wir registrieren auf dem Navi dankbar und erschöpft jeden lebend zurückgelegten Kilometer. Was haben wir in diesen 1,5 Stunden Nachtfahrt gelernt? NIE WIEDER BEI NACHT AUTOFAHREN IN UGANDA! Das steht im Übrigen auch in den Bedingungen unseres Leasingvertrages fürs Auto.
Dankbar, es lebend nach Fort Portal geschafft zu haben, werden wir im Kalitusi Nature Resort schon herzlich erwartet. Welch eine Oase nach diesem Ritt! Auf dem herrlichen Campground stehen wir alleine und genießen nach einer erfrischenden Dusche ein super leckeres Fisch-Curry mit Chabata und Reis. Den Schlaf haben wir uns nun wirklich verdient.
Morgens weckt uns bereits um 6 Uhr der Chorgesang des sonntäglichen Gottesdienstes aus Fort Portal. Geschlagene zwei Stunden grooven und singen die harmonischen Stimmen, dass es eine wahre Freude ist. Um 7 Uhr stimmen dann die Vögel am Campsite mit ein. Die kleine Anlage des Kalitusi Nature Resorts & Campsite ist wunderschön, mit eigenem Gemüsegarten, Hühnern und viel Freifläche zum Grillen und Chillen. Und eigentlich ohne wilde Tiere in der Nacht, aber einer der verspielten Hunde hat dann doch tatsächlich Matthias‘ Sportschuhe stibitzt und verschleppt – ganz in Pavian-Manier. Zum Glück haben wir sie gefunden, bevor er sie über Nacht zerlegen konnte.




Nach dem anstrengenden Tag gestern lassen wir es gemütlich angehen. Schließlich ist ja auch Sonntag. Nach einem schönen Outdoor-Frühstück haben wir um halb 11 Uhr alles abgebaut und verräumt. Unser nächstes Ziel ist die Region der Crater Lakes.
Im Dreieck zwischen Fort Portal, Kibale Forest und Kasenda liegen landschaftlich reizvoll verstreut über 40 Kraterseen erloschener Vulkane, die sich nach der Entstehung des großen ostafrikanischen Grabenbruchs gebildet hatten. Grabenbrüche sind bildlich gesprochen „die Schwangerschaftsstreifen von Mutter Erde bei der Geburt eines neuen Kontinents“. Die Geologie des Great Rift Valleys, zu dem auch der Jordangraben und das Rote Meer gehören, ist in Uganda vielerorts zu sehen. Von allen Vulkanen in den Virunga- und Rwenzori-Bergen sind nur noch zwei im Kongo aktiv.






Zuerst geht es Richtung Kibale National Park, wo wir nahe Rweteera am Crater Lake Nyabikere einen ersten Stopp einlegen. Der Blick über den See soll vom CVK Lakeview Resort sehr schön sein und man könne dort auch einen Kaffee oder Tee trinken. Na, dann machen wir das doch. Die Anlage ist auch hier wie ausgestorben und sogleich werden wir als einzige Besucher fürsorglich willkommen geheißen. Ein Kaffee dauere allerdings 20 Minuten. Also gut, es ist das erste Mal, dass wir ugandischen Kaffee und Tee trinken … vielleicht ist das wie beim Pils-Zapfen: Gut Ding will Weile haben. Wir schlendern etwas umher, schauen einer Affenbande zu, die hier von Wipfel zu Wipfel tobt und bekommen schließlich unseren Kaffee und unseren Tee auf der Terrasse serviert. Das ist interessant: Der Kaffee besteht aus einer Thermoskanne heißem Wasser, einer Packung gemahlenem Kaffee und einer Tasse. Was für diese Zubereitung nun so lange Zeit beansprucht hat, entzieht sich unserem Vorstellungsvermögen. Doch wir nehmen es mit Humor. Matthias‘ Teeblätter aus Uganda schauen wiederum eher aus wie Granulat und beide haben wir beim Trinken ziemlich viele Feststoffe im Mund.











Über kleine Offroad-Straßen und Pfade führt uns der Weg weiter zu den beiden Kraterseen Nyinabulitwa und Nyamirima. Die beste Aussicht versprechen wir uns natürlich von der Hotelanlage „Top of the World“. Auf staubigen Feldwegen geht es eine Anhöhe hinauf und wieder einmal fragen wir uns, ob wir hier wohl richtig sind, bis wir vor dem schweren Zufahrtstor stehen. Tatsächlich öffnet sich die Pforte und wir fahren in ein fast schon fürstlich anmutendes Anwesen ein, um unser Auto auf dem sonst verwaisten Parkplatz abzustellen.
Ein super netter Typ kommt freudig auf uns zu, wir zahlen einen kleinen Obolus und er führt uns mit vielen Worten und Gesten euphorisch herum. Ein wirklich schönes Fleckchen Erde und dem Himmel ganz nah. Eigentlich soll man von hier aus bis zu den Rwenzori-Bergen an der Grenze zum Kongo schauen können, aber da muss man wohl die wenigen Tage im Jahr mit klarer Sicht erwischen. Die Anlage und die Bungalows sind auf jeden Fall top gepflegt – vielleicht kommen wir ja mal wieder?!








Um weiter zu den Kasenda Crater Lakes zu kommen, biegen wir in Nkuruba dann nach Süden ab. Die Wege werden immer staubiger und abenteuerlicher. Gut, dass wir heute so gar keinen Zeitdruck haben.
Wir fahren durch kleine Dörfer, vorbei an Tee-, Bananen- und Maniokplantagen, und egal wie abgelegen wir uns hier fühlen, die Wege werden immer gesäumt von Menschen, die meist zu Fuß in die eine und die andere Richtung unterwegs sind, um an einem der großen Gottesdienste mit Musik und Tanz teilzunehmen oder einen lokalen Markt zu besuchen. Matthias und ich haben schon ein ganz schlechtes Gewissen, weil wir mit unserem Fahrzeug beim Vorbeifahren, selbst im Schneckentempo, so viel Staub aufwirbeln.











Matthias hatte über GoogleMaps das etwas seltsam klingende „Afritastic Planet Ruigo Resort“ am Lake Kasenda zum Übernachten ausgesucht. Wir fahren auf tiefroter, staubiger Piste in einen kleine Ansammlung von Häusern zwischen Feldern und Plantagen ein, rechts spielen die Jungs Fußball und schauen neugierig, wer hier so orientierungslos umeinanderfährt. Das Navi weist uns einen Feldweg zwischen Bananenplantage zu unserem Ziel. Kann das sein? Zaghaft fragen wir die Mama mit Kindern am Wegrand, ob wir hier denn richtig sind. Ja, ja, das ist die offizielle Zufahrt zu unserer Campsite – die sich inzwischen allerdings umbenannt hat in „Lake Kasenda Lodge“.
Zaghaft fahren wir den Feldweg entlang und stehen, wie so oft, vor einem großen Eingangstor, das sich zum Glück für uns auch öffnet. WOW!



Ist das nicht unbeschreiblich schön!!! Wir sind total geflasht, in so einem Paradies am See gelandet zu sein und fühlen uns wie in einem Film-Set. Einfach nur atemberaubend! Wieder einmal sind wir – oh Wunder – die einzigen Gäste und werden von Inhaber Francis und Hund „Happy“ herzlichst begrüßt. Wir dürfen unser Zelt aufstellen, wo immer wir das möchten. Natürlich wählen wir die Waterfront.

Weil das Licht jetzt um 16 Uhr so wunderschön ist, machen wir uns als erstes auf zu einer ersten Seeumrundung und entdecken bei dem leichten Walk viele Schmetterlinge, Meerkatzen, Colobus-Affen und natürlich unzählige – mal mehr oder weniger fotowillige – Vögel wie Seeadler, Ibisse, Eisvögel, Störche, Webervögel, Weihen …













Jetzt geht es an den Zeltaufbau und ans Kochen. Zwei junge Männer beobachten uns aus respektvollem Abstand und sind wohl verwundert, wie die zwei Ausländer hier werkeln – und jeder Handgriff sitzt. Heute freuen wir uns über leckere Nudeln mit Auberginen-Tomatensoße und verarbeiten die restlichen Nudeln der Packung zu einem frischen Nudelsalat als Wegzehrung für den nächsten Tag.





Schade, schade nur, dass es in Uganda bereits um 19 Uhr dunkel wird. Mit der Taschenlampe lassen wir „die Fische im See tanzen“ und gehen in Deckung, wenn uns die Fledermäuse um die Ohren flitzen. Die Temperaturen sind wunderbar angenehm und selbst von Stechmücken bleiben wir verschont. Unser Schlaf bei der Nacht wird nur von Grillenzirpen und Fröschequaken begleitet – und ab und zu von Happy’s Gebell, wenn er seine Position als Wachhund ausübt und ungebetene Gäste verscheucht.
Am Morgen möchte Matthias eigentlich auf den Hügel gegenüber aufsteigen, um die Aussicht zu genießen. Ich bevorzuge es, den gleichen Nature Walk um den See noch einmal zu machen. Unverrichteter Dinge holt er mich dann irgendwann ein – er konnte den richtigen Weg nicht finden oder er war völlig überwuchert.



Als wir nach einem feinen Frühstück schon fast losfahren wollen, bietet sich uns dann noch ein lautstarkes, gefiedertes Spektakel. Eine Schar der großen Turaco-Vögel stürmt den gewaltigen Baum beim Restaurant, wo offensichtlich gerade die Blüten oder Früchte schmackhaft sind.


Um 10.30 Uhr reißen wir uns dann endlich los und reisen weiter nach Kasese, durch herrliche Dörfer und wunderbare Landschaften. Die Kinder winken schon von Weitem und rufen mit einem strahlenden Lachen „Muzungu! Muzungu! How are you?“.
In Kasese heißt es dann, Kühlbox, Tank und Portemonnaie wieder auffüllen. Die Läden in Kasese schauen sehr einladend aus, haben einen Top-Service. Wir ergattern sogar eine Packung Couscous (wie sich später rausstellte „nicht vegan“) und eine Packung teures Müsli (unser mitgebrachter Vorrat von 2 kg ging langsam zur Neige, geschmacklich war der Kauf allerdings auch ein Flop).
Im Shop gibt’s Schulbücher gleich neben den Klobürsten.


Auf der Weiterfahrt gen Süden verlassen wir die Nordhalbkugel und legen am Queen’s Pavilion noch eine Brotzeitpause mit Nudelsalat und Aussicht ein. Hier kann man die beiden Seen – den Lake George und den Lake Edward – sehen, die durch den natürlichen Kazinga Channel miteinander verbunden sind.

