In solchen Nächten rächt sich das 6er Dorm gnadenlos! Um möglichst wenig Unruhe zu stiften, wenn ich schon um 3.45 Uhr aufstehe, lege ich mich – taktisch klug – doch gleich geduscht und fertig angezogen fürs Trekking ins Bett. Dann nur noch aus dem Zimmer schleichen, Zähne putzen und Backpack in den Storage Room bringen …
Aber vor lauter Panik, dass ich mit Ohropax den Smartphone-Alarm verpasse oder das ganze Zimmer vor mir wach geklingelt ist, verzichte ich auf die Weichschaum-Akustikschleusen und mache folglich mit offenen Ohren kaum ein Auge zu.
Um 4.20 Uhr geht es los! Die 10 Teilnehmer des 5-tägigen Salkantay Treks werden nach und nach eingesammelt. Es ist noch dunkel und kalt. Gut zu wissen, dass die müden, muffig dahindämmernden Leute im Bus allesamt furchtbar sympathisch sind und der wortlose, mürrische Eindruck nur der frühen Tageszeit zu schulden ist.
Wir haben uns schon beim gestrigen Briefing im Office von Salkantay Trekking in Cusco kurz kennengelernt und ich denke, alle hatten den gleichen Gedanken: Puh, Glück gehabt mit den Teilnehmern und auch mit unserem Guide Willi!
Da wären zum einen die jungen Pärchen Mayra und Wafi aus Melbourne/Australien (wobei sie gebürtig in Mexico City ist), Marcela und Ricardo aus Sao Paolo/Brasilien, Andreea und Doru aus Rumämien, die aber seit 5 Jahren in Köln leben und arbeiten. Zu meiner Freude ist auch ein mir altersmäßig naheliegendes Paar aus Vancouver/Kanada mit von der Partie: Megan und Brad. Der zweite Single außer mir ist Simon aus London/Großbritannien, dessen Oxford-English ich bis zum letzten Tag nicht wirklich verstehen werde.
Unterwegs gabeln wir noch unseren Koch Elio Puma und seinen jungen Gehilfen auf und nach zwei verschlafenen Stunden Busfahrt erreichen wir schließlich Mollepata. Zeit für ein ordentliches Frühstück, das die Lebensgeister weckt.
Und so schaut unser 5-Tages-Trek auf der stilisierten Landkarte aus:

Weitere zwei Fahrtstunden später spuckt uns das motorisierte Gefährt samt unserer kompletten Ausrüstung für Verpflegung und Übernachtung während des Treks in Challacancha, dem Startpunkt unserer muskelbetriebenen Fortbewegung, aus. Hier wartet auch schon unser Horseman Luis mit seinen Mulis, um unsere Duffle Bags, Schlafsäcke, Matten, Zelte, Koch- und Essgeschirr, Essensvorräte etc. auf den Galoppern zu verstauen.


Mit dieser netten Truppe werde ich also die nächsten 5 Tage verbringen:

Es grüßen Simon, Brad, Megan, Marcela, Willi, Doru, Andreea, Wafi, Mayra, Andrea. Ricardo reist inkognito.
Na, dann mal auf zum ersten kurzen Testanstieg von 3350 auf 3850 m. Den mächtigen Apu Humantay mit seinen weißen Schneemützen haben wir dabei stets fest im Blick. Und schöne Kühe und Blumen gibt es hier in Peru auch, Friedl 😉



Nach dem ersten Höhenanstieg wandern wir ganz gemächlich nahezu eben entlang alter Inka-Wasserkanälen dahin.
Im ganzen Andenraum sind überall die blau-lila blühenden Anden-Lupinen anzutreffen und wir erfahren, dass diese Hülsenfrucht bereits von den Inka kultiviert wurde. Eine weitere bereits von den Inka genutzte Andenpflanze ist Muña, eine Art Minze, die als Tee und Gewürz heilende Wirkung hat, aber auch als Insektizid wirksam ist. Coca ist ja allen bekannt. Es ist zwar auch in Peru offiziell verboten, aber aus Tradition geduldet. Coca gibt es in allen möglichen Formen: als getrocknete Blätter zum Kauen, als Tee, in Bonbon-Form, zum Trinken, zum Einreiben …


Irgendwann schaut dann auch der Apu Salkantay ums Eck und in der Ferne erkennen wir schon unser Camp Soraypampa (3850 m) mit den wunderbaren Sternenhimmel-Iglus.



In Anbetracht meiner Begeisterung für die Berge wählt Willi für mich das bestplatzierte Iglu aus -mit direktem Blick auf den Salkantay, den wilden Berg.


Auch die Innenausstattung ist eine Schau und für mich zur Alleinnutzung ist mehr als ausreichend Platz vorhanden. Einzig mit dem tunnelartigen, niedrigen Eingang kann ich mich nicht anfreunden. Gleich drei-, viermal verschätze ich mich in der Länge der Unterführung und haue mir ziemlich heftig den eh schon höhenbedingt geplagten Kopf an. AUA!! Leider helfen da auch die zwei glücksbringenden Rindviecher auf dem Dach nicht weiter.


In der wahrhaft bescheiden ausgestatteten Küche des Gemeinschaftshauses zaubern unsere Köche erstmals für uns ein grandioses Mittagessen mit Vorspeise, diversen Hauptgerichten und Nachspeise.

Händewaschen nicht vergessen!


Mit vollem Bauch machen wir uns an den Aufstieg zum Humantay Lake auf 4200 m. Wieder nur schlappe 400 hm, die ich zuhause im Schlaf bewältige und die mich muskeltechnisch auch nicht weiter anstrengen. Aber im obersten Stock läuft die Nase im Dauerbetrieb, das nervt. Ich habe schon so viele Tempos verbraucht, wie daheim in fünf Jahren. Und beim Atmen durch den Mund brennt der Hals wie Feuer, was wiederum den Husten anschürt.
Es geht langsam aufwärts und nach ca. 1 1/2 Stunden liegt uns der Humantay samt See zu Füßen.



Schon bald verschwindet die Sonne hinterm Berg, es fängt an zu dämmern und wird schnell kühl. Die Tage in Peru sind einfach zu kurz. Schnell noch ein Gruppenfoto und dann …

… wäre ich mal besser abgestiegen! Aber nein, der Guide der anderen Salkantay-Gruppe kündigt mit ausschweifenden Worten eine Schamanen-Zeremonie an und schwupp-di-wupp sitze ich am kalten Hochgebirgssee in einem spirituellen Kreis fest und traue mich für die nächste lange Stunde nicht mehr, den mystischen Ring zu verlassen – und damit am Ende allen anderen Unglück zu bringen.

Was der Guide und der Schamane dann so von sich geben, kann ich mir aufgrund der in mir aufsteigenden Kälte, dem fiebrigen Frösteln und der in mir aufkeimenden Wut nicht alles merken. Coca-Blätter werden verteilt und begleitet mit Fürbitten an die Berggötter gen Himmel gehoben und ein kunterbunter Opfertisch für Pachamama bereitet. In meinen atheistischen Ohren klingt das alles einfach nur nach großem Mist. Ist ja schön, wenn man Mutter Erde, den Berggöttern und der Natur huldigt, Respekt und Dankbarkeit zollt, aber der Kitsch an Zuckerperlen und neumodischem Zeugs, welches der Schamane in aller Seelenruhe aus Tütchen und Zeitungspapier entpackt, hat doch wirklich nichts mit Tradition und Nähe zur Natur zu tun.
Für meine morgige Wanderung auf den 4500 m hohe Salkantay-Pass ist diese zeitraubende Zeremonie auf jeden Fall der Todesstoß und ich bin richtig sauer! Da versuche ich seit Tagen meine Erkältung in den Griff zu bekommen und nun beschert mir der Quacksalber Schüttelfrost und noch mehr Rotzerei. Eilig haste ich den Berg hinunter, um mich wieder aufzuwärmen. Zu allem Überfluss haue ich mir im Eingang zu meinem Glasdach-Iglu noch einmal gescheit den Schädel an. Die Iglu-Nacht hatte ich mir wirklich romantischer vorgestellt. Zwar habe ich in der schlaflosen Nacht ausreichend Zeit die Sterne zu bewundern, aber anstatt das zu genießen muss ich leider ständig niesen und schnäuzen.
Am Morgen nach dieser ewig langen Nacht fälle ich zu meinem und dem Wohle der Gruppe die Entscheidung, für den Aufstieg zum Salkantay-Pass auf vier Beine umzusatteln. Ich wollte eh einen Reitausflug in Peru machen, warum also nicht jetzt?!


Mit von der Partie sind zwei perfekt geschminkte und aufgebrezelte US-Mädels. Bewunderung keimt auf: Wie schaffen die es nur, um 5 Uhr morgens in der Dunkelheit unter wirklich spartanischen Bedingungen mit Stirnlampe dieses perfekte Voll-Make-Up aufzutragen, wo ich gerade mal froh bin, die Zähne geputzt und die Haare gekämmt zu haben?!
Aber hübsch ausschauen ist nicht alles. Auf dem Pferdl hocken die beiden wie auf dem Schleifstein. Kein Wunder also, dass die Pferdl hier und da versuchen, die unwuchtige Last loszuwerden. Einmal sogar mit Erfolg.
Der Oberhammer aber ist unser Pferdeführer! Der Opa trägt für den 3-stündigen Aufstieg von 3850 auf 4600 m Gummistiefel! Und sonst auch nur, was er am Leib trägt. Kein Wasser, kein Proviant, kein Regen- und Kälteschutz. Wir sind echt sowas von verweichlicht.


Ich bin ganz glücklich mit meinem Galopper und genieße den strapazenfreien Aufstieg und die wunderbare Landschaft.
Anfangs benutzen wir andere Pfade als die Wanderer, aber irgendwann kommen wir zusammen. Viele Trekker aus aller Herren Länder sind unterwegs. Mir scheint, dass die Karawane in der Hochsaison nie endet. Nur einmal treffe ich unsere Gruppe, noch vor dem großen Aufstieg.



Natürlich bin ich als Erste unserer Gruppe oben am Pass und werde von unserem Küchenjungen mit einem Coca-Tee begrüßt. Inzwischen hat sich der Salkantay in Wolken verhüllt und es fängt an zu nieseln. Plötzlich haucht jemand ein erschöpftes „Andrea!“ Megan kommt – blass und elend – auch auf einem Pferd daher. Ihr geht es richtig schlecht, Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindel… sie muss schnellstmöglich in niedrigere Regionen absteigen. Keine Frage, ich begleite sie. Oben gibt es sowieso nichts mehr zu sehen, denn Nebelschwaden und Regenwolken umhüllen die Nevados.



Durch ein wild-romantisches Tal steigen wir bei leichtem Regen so lange bergab bis es Megan etwas besser geht. Dort warten wir auf Brad, der in Sorge um seine Frau der Gruppe vorausgeeilt ist. Schlussendlich treffen wir uns alle in einem kleinen Weiler wieder. Die Zu-Fuß-Bezwinger sind geschafft, aber auch happy, es geschafft zu haben.


Weiter des Weges erwartet uns unser Koch-Team wieder mit einem leckeren Menü – natürlich nicht bevor wir die Hand-Wasch-Straße ordnungsgemäß passiert haben . Elio kocht und würzt wirklich phantastisch abwechslungsreich mit frischen Kräutern. Das beste Essen während meiner ganzen Peru-Reise!


Zu unserer Freude verabschieden sich die wilden Berge noch einmal in aller Pracht von uns:


Noch 10 km liegen vor uns. Aus der Sierra steigen wir ab in die oberen Regionen der Selva. Der Nebelwald lenkt uns mit seiner spannende und abwechslungsreichen Vegetation von den müden Füßen ab. Es wird zusehends wärmer und dann kommt zum ersten Mal auch No-Bite zum Einsatz.



Das Camp in Chaullay ist gerade im Umbau bzw. Umzug. Die neue Location überzeugt nicht wirklich mit Gemütlichkeit. Auch bei den sanitären Anlagen bleibt bezüglich Anzahl und Ausstattung noch viel Luft nach oben. Aber egal wie bescheiden die Hütte ist, Elio hält das nicht davon ab, uns immer wieder zu überraschen – heute mit einer Muttertagstorte 🙂


Am nächsten Morgen sagen wir Good-bye zu unserem Horseman Luis. Er macht sich nun mit seinen Mulis auf den Rückweg nach Mollepata – nicht in zwei Tagen, nein, er muss den Rückweg über den Salkantay-Pass bis zum Startpunkt in nur einem einzigen Tag bezwingen, um dann (in der Hochsaison meist ohne freie Tage) die nächste Gruppe zu übernehmen.
Tag 3 des Salkantay-Treks führt uns von Chaullay über La Playa nach Lucmabamba. Der Weg selbst ist eher fade. Dafür gibt es jede Menge Pflanzenkunde. Links und rechts des Weges wachsen wild und in Plantagen Avocados, Bananen, Kaffee und die Passionsfrucht Granadilla. Sehr, sehr lecker und ideal als Rucksackgepäck.



Das nächste Camp in Lucmabamba ist wieder top. Wir beziehen unsere überdachten Zelte, genießen ein wie immer vorzügliches Mittagessen und machen uns dann mit Minibus auf zu den Hot Springs von Cocalmayo.



Ich bin ja nicht so der Warmwasserfan und meine Muskeln wurden bisher auch nicht übermäßig beansprucht, aber mit unserer Clique wird auch das wieder ein sehr lustiger Ausflug. Besonderen Lachspaß bis die Tränen fließen beschert uns ein junger Tourist, der gefühlte 50 mal die Thermenbecken mit seiner Cam aufnimmt und alle Anstrengungen unternimmt, um den Betrachter wissen zu lassen, wie supertoll es hier ist und vor allem wie mächtig viel Spaß er hier hat …. ganz allein im Pool. Wir haben umso mehr Spaß dabei, wilde Fratzen zu reißen, wenn sein Cam-Schwenk wieder einmal an uns vorbei schwebt.
Am Abend gibt es die letzte Henkersmahlzeit von unserem Spitzen-Koch Elio. Dann müssen wir uns leider verabschieden, denn in Aquas Calientes werden wir in Restaurants essen.




Noch früh in der Nacht ist er schon zu hören: der Regen – es gießt in Strömen! Naja, die Nacht ist noch lange, das kann bis Morgen vorbei sein. Denken wir so in unseren gut geschützten Zelten. Ist es aber nicht, leider! Gerade an einem Wandertag mit einer der schönsten Strecken über alte Inka-Pfade und mit ersten Blicken von Lactapata auf die Ruinen von Machu Picchu macht uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Die bergigen Pfade sind bei diesem Sturzregen nicht zu begehen und wir müssen leider umdisponieren.
Stattdessen schlafen wir lange, frühstücken ausgiebig, besuchen eine kleine Kaffeerösterei in Lucmabamba bevor wir mit dem Minibus hinab zur Hidroeléctrica Bahnstation fahren. Als wir dort um 11 Uhr ankommen, spitzt auch schon wieder die Sonne hinter den Wolken hervor.



Hidroeléctrica ist die absolute Endstation der Zugroute von Poroy (Cusco) über Ollantaytambo und Aquas Calientes bzw. wie es inzwischen heißt Machu Picchu Pueblo. Nachdem die halbstündige Zugfahrt sage und schreibe 30 US $ kostet und es auch nur zwei Züge am Tag gibt (was auch erklärt, warum der Hund so entspannt auf den Gleisen liegt 😉 wandern die meisten Touristen die Strecke von Hidroeléctrica bis Machu Picchu Pueblo an den Bahngleisen entlang.



Und schon können wir auch unser morgiges Ziel – Machu Picchu und Machu Picchu Mountain – anvisieren:


… und die Picchus Huayna und Uña:

Der Schienenstrang zieht sich ganz schön, es bietet sich aber auch eine phantastisch dichte und wilde Vegetation links und rechts der Bahngleise und zwischen den steil aufragenden Bergen. Auch den knallroten Nationalvogel Cock of the Rock (also Felsenhahn) entdecken wir im Vorbeiflug.




Nach 3 Stunden Gleis-Wandern laufen wir um 14 Uhr in Machu Picchu Pueblo ein, ein Ort, der ganz allein vom Tourismus lebt. Entweder wohnt man hier am Fluss oder direkt an der Bahnstrecke. Die seltenen Züge fahren praktisch am Restauranttisch vorbei, wenn man es sich draußen gemütlich macht.


Der Weg zu unserem Hotel nahe dem Bahnhof führt uns durch ein weiteres Touristen-Labyrinth, den Souvenir-Markt mit unzähligen Ständen und Bergen von Alpaka-Pullis, Decken, Schals, bestickten Taschen und Beuteln, mit Schmuck und …
Nach den Schlafsack-Übernachtungen und den spartanischen Waschgelegenheiten der letzten Tage erscheint mir das schlichte Zimmer mit Bad wie eine VIP-Suite. Da stört auch nicht weiter, dass es lediglich ein kleines Fenster zu einem dunklen Lichtschacht hat. Endlich ausgedehnt und warm duschen und eine Matratze unter dem Hintern!
Am Abend treffen wir uns zum letzten gemeinsamen Essen in einem der ziemlich gleich ausschauenden Touri-Lokale zum überschaubaren Touri-Menü. Das dunkle Cusqueña wird die schnell einsetzende Nachtruhe sicher stellen, denn morgen geht es zeitig los hinauf nach Machu Picchu.
Traumhaft schöne Bilder =D
Bin auf die Fortsetzen gespannt 😉
Und wo sind deine Bilder und Impressionen aus Japan?! 🙂
Hey Andrea , Du bist ja schon wieder unterwegs !!!
Da werd ich ja richtig neidisch ,ich glaub ich hätt was gscheites lernen sollen ,dann hätt ich auch mehr Zeit 😉
Grüßle Reinhard
Lieber Reinhard,
ich bin schon lange daheim und fleißig bei der Arbeit.
Aber du weißt ja, das Schöne am Reisen ist, dass man so oft und lange davon zehrt: beim Träumen, beim Planen, beim Erleben und beim Erinnern 😎
Hallo Andrea
Deine Bilder und Berichte sind ein Traum. Vor allem freut mich natürlich die Kuh😘Ich bin begeistert von der herrlichen Landschaft.
Danke für das Teilen all deiner schönen Erlebnisse 😘 Elfriede
Ich trage euch ja auch immer im Herzen und in Gedanken mit 😙