Nach unserer frischen Nacht am Chatyr Köl reiten wir um 10.30 Uhr wieder in Tash Rabat ein und bekommen natürlich zuerst einen Chai kredenzt. Derweil präpariert Milan unser Auto für die Weiterfahrt zum Jurtcamp nahe dem Kel Suu See. Insgesamt dauert die Fahrt 5 Stunden. 2 1/2 geht es zurück über die bestens ausgebaute Strecke in Richtung Naryn vorbei an wunderbaren Landschaften. Nach Süden hin begleitet uns stets die endlos scheinende Kette des Himmelsgebirges.




Die dann folgenden 2 1/2 Stunden kämpft sich Milan über zwar breite, aber holprige Feld- und Schotterwege. Die umgebende Weidelandschaft wirkt sehr einsam und fast ein bisschen eintönig, wenn man einmal von den animalischen Bewohnern wie Pferden, Kühen, Schafen, Yaks und Murmeltieren absieht.





Wir schrauben uns Serpentinen hoch, durchfahren ewig lange Hochebenen mit vielen, vielen Pferden und haben irgendwann das Gefühl, ans Ende der Welt zu fahren.
Vielleicht hier?

Zwei strenge Permit- und Passkontrollen mit Gesichts- und Kofferraumcheck müssen wir im Grenzgebiet zu China passieren, obwohl wir noch immer in Kirgistan sind. Verstehen tut das niemand, auch Milan nicht. Aber mit den bewaffneten Posten ist nicht zu spaßen.
Irgendwann am Nachmittag setzt dann auch der im Tien Shan wohl nicht zu umgehende leichte Regen ein.


Nach 5 endlos scheinenden Stunden erreichen wir die Hochebene des Kok Kiya Valleys mit mehreren Yurt Camps. Das Hochtal ist nach der eher ermüdenden Herfahrt ein absoluter Traum!! Wobei ich mir die abgelegene Lage weniger touristisch vorgestellt hatte. Außer dem CBT-Camp haben noch 2-3 andere Gesellschaften ihre Zeltlager aufgeschlagen. Okay, das ist jetzt Jammern auf hohem Niveau wie man sieht …





Auch die Jurten des CBT (Community Based Tourism) sind schon nicht mehr wirklich authentisch: da stehen doch tatsächlich überall Betten drin! Ne, sowas wollen wir nicht. Mit Mühe finden wir eine Jurte, in der wir traditionell auf dem Boden schlafen dürfen.

Die süßen mobilen Waschschränkchen empfinden wir hingegen als akzeptablen Hygiene-Luxus im kanalisationsfreien Nirgendwo, vor allem nach Benutzung der klassisch-kirgisischen Freiluft-Toilette.

Lea und ich vertreten uns im leichten Nieselregen nach der langen Fahrt noch etwas die Beine und dürfen auch hier ein beglückendes Naturschauspiel genießen.


Immer wieder bekommen wir in Kirgistan vor Augen geführt, wie wunder-wunderschön unsere Welt ist, solange der Mensch nicht Hand anlegt. Dann schaut es mitten in der Natur auch schon mal so aus:

Um 18 Uhr wird in der ebenfalls möblierten Küchenjurte ein sehr leckeres Abendessen serviert. Wie man sieht, sind wir in unserem „Touri-Yurt-Camp“ ausstattungstechnisch trotz höherem Level immer noch weit, weit entfernt von den festlich-dekorativen und reich gedeckten Jurten-Dinnern organisierter Busreisegruppen 😉

Außer uns sind noch fünf Traveller am Tisch, davon ein junges Pärchen aus der Schweiz, die uns berichten, dass der traumhaft spektakuläre Kel Suu-See – das heiß ersehnte Ziel unserer mühsamen Anfahrt – noch immer keinen Tropfen Wasser führt und über Kilometer so ausschaut:

… anstatt so:

Von diesem Naturphänomen, dem der See auch seinen Namen verdankt (Kel Suu heißt übersetzt „Kommt Wasser“) hatte ich schon im Vorfeld gelesen. Das Ereignis kommt aber nur höchst selten vor und so war ich im Mai mehr als überrascht, als in Facebook ein brandaktueller Post aufploppt, der für 2018 genau diesen Effekt beschreibt.
Meine Sehnsucht, genau an diesem abgelegenen See zu stehen, war allerdings so hartnäckig in mein Hirn gebrannt, dass ich mir wohl optimistisch eingeredet habe, dass das Wasser bis zu unserem Besuch schon wieder zurück sein wird. Kel Suu – das Wasser kommt, sagten auch die befragten Agenturen. Ist aber nicht so!!!
Die Enttäuschung an diesem Abend ist groß. Sollen wir einen weiteren Tag „opfern“, um ein – wenn auch seltenes – ausgetrocknetes Schlammloch zu bestaunen?! Also für Freunde von Wüsten und karger Landschaft mag das gewaltig und den Aufstieg wert sein. Aber nicht so für Lea und mich. Also, spontane Planänderung: anstatt Pferde-Trekking zum Kel Suu geht’s morgen in aller Früh die ganze lange Strecke zurück nach Naryn, um so schnell wie möglich Richtung Issyk Kul-See weiterzureisen, von dem wir ganz sicher wissen, dass er randvoll mit Wasser ist.
Der neue Tag weckt uns wieder einmal mit einem märchenhaft schönen, honigfarbenen Morgenlicht. Dieses zauberhafte Farbenspiel der auf- und untergehenden Sonne auf den Jailoos (Sommerweiden) fernab der Zivilisation wird wohl meine nachhaltigste Erinnerung an Kirgistan bleiben.




Nach dem Frühstück Zähne putzen und um 8 Uhr sind Milan, Lea und ich bereit für die Schlagloch-Offensive.


Die fällt bei der sonnigen Aussicht gar nicht mal so unangenehm aus wie befürchtet.



Haha, Milan schmeißt sich schon mal in die nächste „Kurve“. Schicki-schicki-dawa!
Die meist kreisförmig auftretende kirgisische Busch-Akne?!





In Naryn angekommen, überrascht uns Milan noch mit einer Geldforderung für seine Unterkunft und Verpflegung, die sich im Gespräch mit Gulira vom CBT Office dann aber als Mißverständnis entpuppt. Ja, mit dem Tourismusmanagement müssen sie noch ein bisschen üben.
Die Fotos mit den klienen Bauten unter dem Busch-Akne, ist das ein Friedhof?